Berlin Juli 2011

Ein Reisebericht, der vielleicht nicht ganz alltäglich ist…

Worum geht es? Nachdem ich schon mehrfach lange Strecken über mehrere Tage mit dem Rennrad zurückgelegt hatte, wollte ich mal schauen, was man in einem Rutsch durchfahren kann. Dabei entstand die Idee, non-stop, also ohne zu schlafen, von Kirchzarten bei Freiburg nach Berlin zu meiner Tochter zu fahren. Hier mein Bericht dazu.

Vorbereitung:

Das wichtigste ist die Planung der Strecke. Ich habe keine Lust unnötig auf Bundesstraßen zu fahren, wenn es Alternativen gibt. Allerdings sollten diese nicht allzuviel Umweg machen. So sitze ich ein paar Stunden am PC um den genauen Streckenverlauf für mein GPS Garmin Edge-705 zu programmieren. Ich benutze die kostenlosen OpenStreetMap Karten, die sind besonders in Deutschland viel detaillierter als die Straßenkarte von Garmin und zeigen vor allem die asphaltierten Fahrradwege genau an (meistens). Zudem drucke ich mir Höhenprofile mit wichtigen Ortsnamen aus, welche ich mit Gummis am Oberrohr des Fahrrads befestige. So kann ich die unterwegs wechseln und sehe immer wo ich ungefähr bin, bzw. welcher größere Ort oder Anstieg gleich kommt. Auf dem GPS sehe ich den aktuellen Straßenverlauf und nicht die Gesamtstrecke.

Da mein Dynamolaufrad leider noch nicht fertig ist, lade ich mein Cateye Akkulicht auf. Es ist einigermaßen hell und hält mit einer Ladung 9h durch, wie ich schon ausgetestet habe. Ein kleines Diodenrücklicht mit Batterien befestige ich an der Sattelstütze. Es wird im Blinkmodus betrieben, das erzeugt Aufmerksamkeit. Zudem befestige ich einen kleinen Akkupack unter meinem Lenkervorbau, denn ich muß unterwegs ja auch den GPS Akku aufladen, der hält zwar lange, aber das reicht für diese Strecke nicht. Ich möchte nachts ja auch das GPS Display beleuchtet lassen, das geht mit dem Akkupack gut, wie ich auch schon vorher ausgetestet habe.

Am Rad selbst gibt es nichts zu verändern. Ich fahre diese Strecke mit meinen Xentis Carbonlaufrädern, da es keine größeren Abfahrten gibt, bei denen die schwächere Bremsleistung problematisch werden könnte. Alles Gepäck kommt in den Tourenrucksack, am Rad wird nichts befestigt. So fährt es sich ganz normal, und da ich keine Zivilkleidung für eine Übernachtung brauche ist der Rucksack auch recht leicht.

Der Wetterbericht klingt nicht besonders gut. Es soll Schauer geben und die Temperaturen sind für Juli viel zu tief. Es wird voraussichtlich unter 20°C Höchsttemperatur bleiben. Aus diesem Grund hole ich mir noch ein paar Armlinge mit Windstopper und auch eine Unterziehmütze. Auch packe ich ein paar Fleecehandschuhe ein. Viel wiegen die nicht und kalte Finger sind schon lästig.

Gepäck (Rucksack und am Körper):

  • Ersatzschlauch, Reifenheber und Flickzeug
  • Pumpe
  • Kurze Trägerradhose
  • Kurzes Funktionsunterhemd
  • Langärmliges Funktionsunterhemd
  • Kurzes Trikot
  • Langärmliges Trikot mit Windstopper (Pearl Izumi, klasse Teil)
  • Gore Windweste (auch sehr gut)
  • Überschuhe (Ultrabike Marathon Startgeschenk)
  • kurze Radsocken falls es naß ist
  • dickere Radsocken, die ich trocken halten will
  • Handschuhe
  • Gummihandschuhe (falls es schüttet und kalt ist)
  • ¾ Regenhose
  • Dünne Regenjacke (Jeantex 3000)
  • Gore Windstopper Armlinge
  • Gore Windstopper Beinlinge
  • Gore Windstopper Unterziehmütze
  • Rennradschuhe
  • Klopapier
  • Rettungsfolie
  • Vorderlicht
  • Geld, EC Karte
  • iPhone, Ohrhörer
  • kleiner Lappen und Minitube Kettenöl
  • Minitube Bepanthen für den Hintern

Los Gehts

Der Wecker ist auf 5 Uhr gestellt, mit der Absicht um 6:00 loszukommen. Da ich ja die Nacht durchfahre, kommt es nicht auf eine besonders frühe Startzeit an. 6 Uhr scheint mir da gerade richtig. Schlafen kann ich gut, trotz des bevorstehenden Abenteuers.

Der erste Schreck dann beim ersten Blick nach draußen: es regnet, wenn auch nur leicht. Das Thermometer zeigt 12°C an. Na ja, erst mal frühstücken, dann wird es ja hoffentlich besser. Um auch wirklich alle Speicher gefüllt zu haben, esse ich noch eine große Portion Spaghetti mit Tomatensauce, die ich am Tag vorher zubereitet hatte. Dazu zwei Cappuccino, um auch das Adrenalin in Schwung zu bringen.

Mittlerweile gießt es draußen wie aus Kübeln…Also weiter im Programm: Fahrradklamotten an, eine letzte Überprüfung des Rucksacks, die Wasserflaschen aufgefüllt und in die Halter gesteckt. Jetzt ist es 6 Uhr, aber soll ich wirklich in diesem Wolkenbruch starten? Ich beschließe noch ein paar Minuten zu warten. Zudem ziehe ich gleich mal alle Regenklamotten an, die werde ich sicher vom Start weg brauchen.

Und siehe da, der Regen wird schwächer, nur noch leichtes Nieseln. Bevor es wieder schlechter wird, beschließe ich zu starten. Einmal noch Babs in den Arm nehmen, die schaut auch nicht ganz glücklich aus der Wäsche, und dann geht es los.

Jetzt liegen über 800km vor mir, bloß nicht dran denken. Ich konzentriere mich erst mal auf die Tagesstrecke, das sind ja bloß 300km bis zum Abendessen. Durch Freiburg komme ich schnell durch, es hat noch sehr wenig Verkehr. Die Hoffnung, dass die graue Suppe etwas aufreißt erfüllt sich leider nicht; im Gegenteil, auf der Strecke nach Emmendingen fängt es wieder an richtig stark zu Regnen. Na das wird ja heiter…

Streckenverlauf

Gleich in Teningen biege ich erst mal falsch ab, da ich mein GPS nicht korrekt programmiert hatte, es wollte mich über den Fahrradweg leiten, welcher hier aber nicht geteert ist. Also erst mal auf diesem Pfützen übersäten Dreckweg wenden, was gar nicht so einfach ist. Das fängt ja hübsch an…

Zurück auf der Straße läuft es dann einigermaßen. Leider spürt man schon den Gegenwind, der ist heute auch früh aktiv. Es kann nur besser werden, sage ich mir. Prompt hört es dann ein paar Minuten später auch auf zu Regnen. Bei Ringsheim, wo es dann auf kleinen Wegen durch die Rheinebene geht, ziehe ich schon mal meine Regenjacke aus, man schwitzt doch schnell darunter. Um halb neun, in Allmansweier ziehe ich dann auch die Hose und die Überschuhe aus. Kurz die Socken ausgewrungen, das zweite Paar angezogen, Ballastwasser entsorgt, Musik in die Ohren gestöpselt, und weiter gehts.

Jetzt fährt es sich doch viel angenehmer. Der Himmel sieht auch schon deutlich freundlicher aus, die Sonne kämpft sich langsam durch die Wolken. Schnell geht es Richtung Karlsruhe durch die kleinen Dörfer der Ortenau. Meist kommt der Wind von der Seite, er ist auch nicht unangenehm stark, also genau wie im Wetterbericht vorhergesagt. Wie schon bei meiner Tour nach Leipzig mache ich in Bruchhausen bei Ettlingen um halb 12 Uhr eine Pause, dort gibt es eine leckere Bäckerei. Eine Kirschtasche esse ich drinnen, zusammen mit einem Apfelschorle. Zwei Brötchen nehme ich zum Essen auf dem Fahrrad mit. 18 Minuten Stillstand, das muss sein, vor allem da die Laune nach solchen Stopps immer deutlich besser ist. Mittlerweile ist es sogar angenehm warm, knapp 20°C und ich fahre im kurzen Trikot.

In Ubstadt muss ich die erste kleine Umleitung fahren, der Ortskern ist gesperrt, wie schon vor zwei Wochen auf der Fahrt nach Leipzig. Später geht es durch Heidelberg, aber so richtig viel sehe ich nicht, denn ich muss mich auf den Verkehr konzentrieren. In Schrießheim ist es dann wieder Zeit, die Puffer nachzufüllen. Ein kleiner Edeka Laden an der Straße hat mich überzeugt. Es ist jetzt 14:30 und somit eine gute Gelegenheit einen letzten Imbiss vor dem Abendessen einzunehmen. Ein Eis, eine Flasche Bier, ein Laugenteil und ein süßes Teil wird ohne große Hektik verdrückt. Nach einer halben Stunde geht es weiter.

Ab Weinheim geht es ein Stück durch den Odenwald. Kurz hinter Birkenau muss ich nochmal kurz anhalten, meine Blase drängt nach Entleerung. Parallel zur Bundesstraße fahre ich auf kleinen Straßen durch Reichelsheim und Fränkisch Crumbach. Hoch und runter geht es. Ich muss auf mein GPS achten bei den manchmal sehr kleinen Wegen und winkeligen Abzweigungen. Weiter geht es durch Groß Umstadt bis nach Münster bei Dieburg, wo ich um zwanzig nach fünf bei Freunden ankomme für meinen Zwischenstop zum Abendessen.

Ich habe jetzt 284km hinter mir und fühle mich noch richtig fit. Vor allem da es hier eine leckere Portion Spaghetti Bolognese und einen Schokoladenkuchen zum Nachtisch gibt. Der doppelte Cappuccino danach soll mich für die Nacht vorbereiten. Auch Babs ist schon hier, sie übernachtet bei unseren Freunden und fährt dann am nächsten Tag nach Berlin weiter.

Bis das Essen fertig ist, putze ich aber erst mal mein Rad, das durch den Regen doch recht versaut aussieht. Vor allem die Kette hat eine Reinigung und etwas Öl nötig. Es wird ja hoffentlich nicht so schnell wieder Regnen.

Als ich mich schon wieder fertigmache um weiter zu fahren, geht allerdings doch draußen wieder ein Schauer nieder. Also noch etwas warten, und vor allem die Regensachen anziehen ist angesagt.

Mit etwas Verspätung geht es nach 90min weiter in den Abend hinein nach Osten. Schon nach ca. 8km ist alles wieder trocken und ich halte um die Regenklamotte wieder einzupacken. Das Rad ist natürlich schon wieder komplett dreckig.

e2Durch Babenhausen geht es Richtung Main den ich bei Mainhausen überquere. Ein kurzer Blick nach hinten Richtung Westen lässt mich erschrecken: eine schwarze Wand rollt an. Und prompt geht es in Wasserlos wieder los. Nomen est omen! Also alle Regenklamotten wieder raus und angezogen. Zum Glück lässt der Wolkenbruch schnell wieder nach und ich fahre mit leichtem Regen weiter.

Bei Freigericht komme ich auf Wirtschaftswegen am Gänsewald vorbei. Gänse sehe ich keine, aber ein Hase rennt mir fast ins Rad. Auch kommt im Westen die Sonne wieder raus und taucht die Landschaft in ein tiefes Licht und zaubert einen kompletten doppelten Regenbogen über die Felder. Das ist ein Moment, denn ich sicher nicht vergesse. Viel Zeit zu genießen habe ich nicht, denn ich muss auf die Kurven achten, Bremsen bei Nässe mit Carbonfelgen ist nicht ohne.

Durch Linsengericht geht es weiter ins Kinzigtal in Richtung Fulda. Es ist jetzt 21 Uhr und die Straßen sind immer noch sehr nass vom letzten Wolkenbruch, aber es regnet zumindest nicht mehr.

In Höchst wollte ich eigentlich den Bahnradweg nehmen, fahre aber aus Versehen vorbei und bleibe auf der Landstraße. Kein Problem, ich muss nur die Strecke im Auge behalten, damit ich später wieder vom GPS gelotst werde. In Wächtersbach fahre ich dann wieder über die Kinzig und auf die programmierte Strecke.

In Steinach wird es Zeit, das Vorderlicht zu montieren. Die Blinklampe an der Sattelstütze hatte ich schon vor einer Weile eingeschaltet. Es ist erstaunlich, welche Wirkung die rot blinkenden LEDs haben. Alle Autos weichen beim Überholen komplett auf die Gegenfahrbahn aus, ohne Ausnahme. Es geht jetzt auf 22 Uhr zu und der dunkle Teil der Nacht beginnt. Müde bin ich überhaupt nicht, aber die Nacht liegt ja noch vor mir.

Dies ist auch eine gute Gelegenheit mein Akkupack an das GPS anzuschließen. Damit kann ich es jetzt mit permanenter Beleuchtung fahren. Auch mein iPhone mit Musik wird wieder aktiviert.

Weiter geht es durch Schlüchtern, wo ich das Tal der Kinzig verlasse und nach Norden Richtung Fulda fahre. Hier gibt es auch einen kleinen Hügel, den Drasenberg, den ich bei angenehmen 6-7% Steigung schnell überwinde. Kurz darauf verpasse ich den Piepton meines GPS zum Abbiegen und darf wieder 500m zurückfahren. In Neuhof ziehe ich die Regenklamotten wieder aus, hier sind die Straßen ausnahmsweise mal wieder trocken, hoffentlich bleibt das so. Zudem esse ich ein von Münster mitgebrachtes Wurstbrötchen. Erstaunlich, dass ich schon wieder essen kann nach den vielen Spaghetti.

Kurze Zeit später komme ich in Eichenzell an einer Disco vorbei. Ich halte nochmal kurz an, es wird doch frisch und ich ziehe mein langes Unterhemd an. Außerdem muss ich mal wieder pinkeln. Dabei merke ich auch, dass ich ein paar hundert Meter zurück muss, da ich wohl die geplante Route verlassen hatte.

Jetzt geht es auf kleinen Fahrradwegen nach Fulda hinein. Was am Tag ja sehr angenehm ist, da man keinen Autoverkehr und Ampeln hat, ist in der Nacht etwas problematisch. Die kleinen Fahrradwege sind sehr winkelig und man muss aufpassen bei dem wenigen Licht immer richtig abzubiegen. Zudem ist mein Licht nicht wirklich optimal, und so richtig schnell komme ich auf den kleinen Wegen deshalb auch nicht voran.

Macht aber nichts, in Fulda geht es wieder ein Stück auf die Landstraße. Es ist jetzt Mitternacht, und ich bin kein bisschen müde. Parallel zur B27 geht es dann auf einem Fahrradweg durch die Hügel. Bei den Abfahrten bin ich wieder vorsichtig, man sieht nicht allzu viel bei 40km/h und Kurven.

Gegen 1 Uhr erreiche ich Hünfeld. Hier gibt es eine 24h Tankstelle und ich nutze die Gelegenheit ein paar Minuten Pause zu machen, ein Bier zu trinken und etwas zu essen. Auch ein Eis ist wieder dabei. Mittlerweile ist es empfindlich kalt, und ich bin froh, daß ich Handschuhe dabei habe und jetzt anziehen kann. Nach 20 Minuten geht es weiter, jetzt wird der Rest der Nacht in Angriff genommen.

Gleich nach Hünfeld kommt wieder eine Baustelle mit Umleitung. Zudem verpasse ich mal wieder einen Abzweig und mache zur Strafe knapp 2km Umweg. Aber das ist auf die Strecke gesehen ja unwesentlich. Es geht relativ eben weiter in das Tal der Werra. Nach Eiterfeld habe ich wohl auch die Grenze nach Thüringen überquert. Das merke ich aber erst später.

Das angenehme beim nachts Fahren ist, dass es erstens kaum Verkehr gibt, und wenn mal ein Auto von hinten kommt, merkt man das schon von weitem am Scheinwerferkegel. Das erlaubt es fast immer auf den kleineren Straßen in der Mitte der Fahrbahn zu fahren und nur wenn ein Auto kommen sollte, an den rechten Rand auszuweichen. Zudem werde ich nach wie vor nur mit gehörigem Abstand überholt, mein blinkendes Rücklicht scheint Eindruck zu machen.

An der Werra entlang windet sich die Straße dahin, später wundere ich mich, wie oft ich diesen Fluss überquere. Ich fange schon an, dem GPS zu misstrauen. In Gerstungen, es ist jetzt viertel nach drei, ist die Straße im Innenort aufgerissen und ich muss eine Umleitung fahren. Zu allem Übel ist auch diese Strecke eine heftige Baustelle. Wo keine Baustelle ist, fahre ich über uraltes Kofpsteinpflaster und ich komme nur im Schritttempo voran. Jetzt kommt mir auch der Gedanke, dass ich bestimmt schon in Thüringen bin. Bei den ganzen Schlägen kippt auch noch meine Akkulampe am Lenker nach unten, sodass ich sie des öfteren wieder ausrichten muss Der Halter ist nicht wirklich geeignet. Schade, dass mein Dynamolaufrad nicht rechtzeitig fertig wurde.

Zwischendurch sehe ich den Mond, der sich zwischen den letzten Wolken durchschiebt. Leider nur eine schmale Sichel, aber dennoch ein schöner Anblick, vor allem da er auch gutes Wetter signalisiert.

Bei Herleshausen traue ich meinem GPS nicht, als es mich auffordert, wieder Richtung Westen zu fahren, was sich aber als Fehler herausstellt. Hier hätte ich ein paar Meter weiter auf den Radweg entlang der Bahnstrecke abbiegen müssen. So fahre ich auf der kleinen Straße weiter und mache mal wieder einen kleinen Umweg. Mit etwas suchen komme ich nach einiger Zeit auch wieder auf die programmierte Strecke und erreiche bald Creuzburg. Hier, um kurz nach Vier wird auch schon der Himmel im Osten wieder heller. Das trifft sich gut, so langsam kann man auch wieder etwas von der hier sehr schönen Landschaft erkennen.

Ein paar Kilometer nach Creuzburg verlasse ich das Tal der Werra. Ich habe jetzt schon 500km hinter mir und somit schon mehr als die Hälfte der Strecke. Jetzt liegt der höchste Punkt der Strecke vor mir, aber das sind nur 430m, kaum höher als zuhause. Mittlerweile ist es fünf Uhr und richtig hell. Leichter Dunst liegt über der Landschaft und nur die Kälte, ich schätze ca. 6°C sind etwas unangenehm.

Schnell geht es wieder bergab und nach Mühlhausen, wo ich mir schon eine Tankstelle mit 24h Bistro Service auf dem GPS programmiert habe. Die liegt zwar nicht genau auf der Strecke, aber den kleinen Umweg fahre ich gerne. Etwas skeptisch bin ich schon, ob die nicht gerade heute Betriebsferien haben, aber nein, alles offen und es gibt leckere belegte Brötchen mit Mozzarella und eingelegten Tomaten. Dazu einen großen Kaffee und alles drinnen in der Wärme. Hier lässt es sich aushalten und schnell ist eine Stunde vorbei und ich muss weiter.

Draußen emfpängt mich erstmal wieder die Kälte, obwohl jetzt schon die ersten Sonnenstrahlen wärmend daran erinnern, dass eigentlich Hochsommer sein soll. Angenehm, daß mir trotz der vielen Stunden im Sattel der Hintern nicht weh tut. Training zahlt sich einfach aus. Bis auf ein wenig schwere Beine beim lostreten fühle ich mich wohl und freue mich schon auf die Ankunft heute Abend in Berlin. Die Reststrecke sind zwar immer noch 300km, aber das bin ich ja schon öfter am Tag gefahren, wenn auch nicht mit mehr als 500km in den Beinen.

Um sieben rufe ich kurz Babs an und gebe ihr durch, dass alles klar ist und wir uns wie besprochen abends in Berlin treffen. Weiter geht es in Richtung Sondershausen, ein Stück auf der B248, die aber um diese Zeit am Sonntag morgen komplett leer ist. Nach Sondershausen geht es weiter durch die leicht hügelige Landschaft in Richtung Nordosten. Es gibt hier keine größeren Orte bis Sangerhausen. Der Wind hat heute schon früh aufgefrischt und bläst sehr böig. Zum Glück oft von hinten, vor allem auf der Ebene vor Sangerhausen, wo ich mit durchschnittlich 34km/h flott vorankomme.

Kurz vor Sangerhausen um dreiviertel zehn mache ich nochmal kurz an einer Tankstelle Rast, ein süßes Teilchen und eine Cola geben neue Energie. Nach Sangerhausen ist die Wegführung etwas verwirrend, ich brauche ein paar Minuten bis ich den Fahrradweg gefunden habe. Er ist zum Glück frisch asphaltiert und lohnt die Mühe. Ganz im Gegensatz zu den folgenden Ortsdurchfahrten, wo ich oft im Schritttempo über das Kopfsteinpflaster hopple. Mit 9 bar auf dem Rennrad wahrlich kein Vergnügen. Als dann auch noch auf der Landstraße solche Abschnitte kommen, verfluche ich die Strecke schon ein wenig. Aber die Alternative wäre, auf die Bundesstraße auszuweichen und das möchte ich auch nicht.

Hinter Eisleben kommen noch ein paar letzte Hügel bevor es dann in die Ebene hinausgeht. Der nächste Streckenpunkt ist Bernburg an der Saale. Beeindruckend sind hier die Abraumhalden des Tagebau, die unbewachsenen Bergkegel sehen aus wie Vulkane. Es ist jetzt kurz nach 12 Uhr und ich habe nur noch 170km vor mir.

Der nächste interessante Punkt der Strecke ist die Elbfähre bei Breitenhagen. Zuvor ärgere ich mich aber noch über meine Streckenplanung, denn der Weg den ich programmiert hatte und der laut Karte asphaltiert sein sollte, ist es leider nicht. Zudem geht er im Zickzack und teilweise habe ich den starken Wind von vorne. Aber auch das ist bald vorbei und es geht flach bis nach Breitenhagen. Im Ort weiche ich auf den Gehweg aus, bis zur Fähre ist mal wieder heftigstes Pflaster verlegt.

Die Fähre selbst wird durch die Strömung angetrieben und ist eine sogenannte Gierseilfähre. Etwas skeptisch bin ich, ob ich auch schnell eine Überfahrt bekomme. Wenn ich warten muss bis genügend Fahrgäste ankommen kann es ja ewig dauern. Aber ich habe Glück und nach weniger als 5 min legt die Fähre ab und bringt mich als einzigen Fahrgast für 1€ ans andere Ufer. Das sind die einzigen 300m, die ich ohne eigene Muskelkraft zurücklege. Auch mein GPS piepst, es wundert sich, dass das Rad steht, aber die Position sich dennoch verändert.

Auf der anderen Seite geht es im Eiltempo weiter, der Wind bläst schön von hinten und auch die Straße ist in einem guten Zustand. Schnell erreiche ich Zerbst und nehme den letzten kaum merklichen Anstieg auf den Fläming nach Wiesenburg in Angriff. Dort finde ich dann am Ortsausgang eine Tankstelle, wo ich Wasser auffüllen kann und nochmal ein Eis nebst Bier reinschiebe. Es ist jetzt 15 Uhr und das wird wohl meine letzte Pause sein. Ein anderer Rennradfahrer trudelt auch hier ein, aber der spricht kein Wort und hat ein blitzblankes Rad, ich nehme an der macht nur eine kurze Runde.

Von hier aus rollt es leicht bergab durch Bad Belzig und dann auf sehr kleinen Wegen, die ich immer mal wieder verpasse weiter in Richtung Belitz. Nach Belitz kommt der übelste Teil der Strecke, und zwar der Kähnsdofer Weg am Seddiner See entlang. Obwohl als geteert ausgewiesen entpuppt sich der Weg als Katastrophe. Am Anfang lassen sich noch Reste von Teer erkennen, später wandelt er sich zu einem reinen Mountainbikeweg mit Schlamm und tiefen Pfützen. Nur das schöne Seeufer tröstet mich und ich beschließe kurzfristig einen kleinen Halt zu machen um auch meine Blase zu erleichtern. Mit ein paar Blättern säubere ich die verschlammten Reifen, so kann ich ja kaum durch Berlin fahren, außerdem reibt der Sand beim Bremsen auf den Felgen.

Irgendwann wird der Straßenzustand wieder besser und ich kann wieder Gas geben. So nähere mich auf weiterhin kleinen aber gut zu fahrenden Straßen Berlin. Der letzte Ort ist Groß-Beeren, danach geht es nochmals durch ein paar Felder bevor die Stadtgrenze von Berlin erreicht ist. Überraschend ist der abrupte Wechsel von freiem Land zum Stadtgebiet. Mal schauen wie lange ich durch die Stadt brauche, ich muss ja zur Frankfurter Alle im Osten. Das geht erstaunlich gut, es hat wenig Ampeln und auch überschaubar viel Verkehr auf der programmierten Strecke. So komme ich denn um kurz nach Sieben glücklich am Ziel an.

Ich fühle mich etwas erschöpft aber nicht wirklich kaputt.Jetzt geht es erstmal indisch essen und dann bald auch ins Bett.

Strecke / Höhenmeter:826 km4700 hm
Gesamtzeit / Gesamtdurchschnitt:36:57 h22.3 km/h
Reine Fahrzeit / Durchschnitt Fahrt:30:07 h27.4 km/h