2014 Brevets

Dieses Jahr bin ich leider noch ziemlich im Trainingsrückstand. Zum Einen hat mich eine fiese Grippe längere Zeit vom intensiveren Fahren abgehalten, zum Anderen habe ich mir einen Wunsch erfüllt (ein expeditionstaugliches Wohnmobil von bimobil), was die Motivation die Freizeit auf dem Rad zu verbringen zumindest vorübergehend auch leicht reduziert hat.

Umsomehr kommen da die Breisgau Brevets gelegen. Einmal angemeldet und schon stehen die Termine fest. Da gibt es dann keine Ausflüchte mehr, die Prioritäten sind wieder richtig gesetzt. Der 200km Brevet am 5.April läuft auch richtig gut, diesmal bremst kein fieser Gegenwind im Rheintal.

Beim folgenden 300km Brevet am 26. April habe ich mich gleich für den frühen Start um 8:00 angemeldet. Nicht realisiert habe ich dabei, dass diese Gruppe eine andere Strecke mit deutlich mehr Höhenmetern fährt. Aber was solls, das wird schon klappen.

Leider beginnt der Tag alles andere als gut. Ich fahre in Kirchzarten los, Richtung Augustiner und komme gerade 200 Meter weit, dann rutscht mein Freilauf durch. Erst will ich es gar nicht glauben und denke ich spinne, aber nichts geht mehr. Na Prost, wenn das später passiert wäre. So schiebe ich das Rad heim und baue ein anderes Laufrad ein. Zudem muss ich noch die Kassette wechseln, denn auf das 27er Ritzel mag ich bei den Steigungen nicht verzichten.

Mit schwarzen Fingern trudle ich dennoch einigermaßen rechtzeitig im Augustiener ein und stärke mich nochmal bevor es nach der obligatorischen Einweisung von Walter und Urban auf die Strecke geht. Langsam kurbeln wir Richtung Oberried. Es ist bedeckt und kühl, die Wolken hängen in den Bergen, aber zumindes ist es einigermaßen trocken.

Ab dem hinteren Zastler Tal wird es steiler und ich lasse die flotteren Fahrer erstmal ziehen. Dennoch mag ich nicht ans Ende durchgereicht werden und fahre bestimmt etwas schneller, als ich es alleine tun würde. Bald ist auch der Rinken erreicht und es geht in die erste Abfahrt. Da erschrecke ich erstmal fürchterlich. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit fängt mein Hinterrad an, fürchterlich Krach zu machen. Ich halte an, aber da ist wieder alles normal. Sehr komisch…so sehr ich mich auch mühe, ich kann die Ursache nicht entdecken. Aber offensichtlich streift nichts und auch sonst passiert außer dem Geräusch nichts. Ein Rütteln am Rad, stellt komischerweise das Geräusch kurzfristig ab. Na ja, ich beschließe einfach mal weiterzufahren. Dennoch ist es kein ganz sicheres Gefühl in der Abfahrt. Das nächste Ärgernis ist die Baustelle, die extra für uns auf der Rinkenstraße eingerichtet wurde. Ärgster Rüttelschotter auf ca. 1km Länge. Prompt verlässt mich meine Wasserflasche, was auch kein Wunder ist, habe ich doch erst kürzlich den halben Karbonhalter abgerissen.

Na, wenn das so weitergeht… Beim Erlenbruck fahre ich bewusst langsam die Abfahrt hinunter, denn ich will ja nicht dauernd meine Trinkflasche einsammeln. Weiter geht es über Bärental zum Äulemer Kreuz. Noch einmal wird es frisch, immerhin sind wir auf 1100m Höhe. Ab hier liegt erstmal eine längere Abfahrt vor mir und den anderen versprengten Randoneuren die mit mir unterwegs sind. In St. Blasien entscheide ich mich nach dem Kontrollstempel gleich weiterzufahren, da ich noch keinen Hunger verspüre. Es geht das Albtal hinunter und später über ein paar finale Hügel hinunter zum Rhein bei Lauffenburg. Drüben in der Schweiz geht die Strecke über einen langgezogenen Anstieg mit recht viel Verkehr nach Frick. Ab hier rollen wir wieder auf kleinen schönen Straßen. Wären da nicht diese fiesen Rampen, bei denen gleich die nächste Abfahrt folgt. Aber die Landschaft entschädigt doch für das langsame Fortkommen. Ab und an blinzelt sogar die Sonne hinter den Wolken hervor und leuchtet die Frühlingswiesen an, auf denen die Obstbäume weiß blühen. Immer wieder geht es hoch und runter, oft jenseits von 10% Steigung. So langsam merke ich wie meine Puffer zur Neige gehen. Hätte ich doch besser mal was gegessen. Aber so arg weit kann es ja wohl nicht mehr sein zum Bölchenhaus mit dem berühmten Spaghetti Büffet.

Weit vielleicht nicht, aber die letzten Kilometer werden nochmal richtig zäh. Erst geht es heftig steil über Schotter hinauf, dann fahre ich noch einigen Mitstreitern hinterher, die aber leider nicht den richtigen Abzweig erwischt haben. Also wieder zurück und weitergetreten. Ich fühle mich wie ein Kartoffelsack auf dem Rad.

Aber endlich erreiche ich die Kreuzung an der es recht runter zum Bölchenhaus geht. Ich lade mir gleich mal eine große Portion auf und bestelle dazu ein Bier. Erfahrungsgemäß bringt mich das am schnellsten wieder auf Trab. Bald ist der Teller leer und ich denke mir, wenn schon, denn schon, und hole mir noch eine Portion.

Nachdem auch die verdrückt ist, raffe ich mich auf weiterzufahren. So richtig fit fühle ich mich zwar noch nicht, aber wenn die Kalorien erst verarbeitet sind, sollte sich das ja hoffentlich ändern. So kurble ich den letzten Anstieg zum Pass hinauf, der nochmal heftigst steil ist. Eine ziemliche Schinderei ist das und ich bin froh endlich in die Abfahrt starten zu können. Wie es sich mit Anstiegen und Abfahrten so oft auf sich hat, bin ich in nullkommanix wieder unten und stehe schon vor dem nächsten Hügel. Langsam kurble ich weiter, diesen wieder hinauf. Von hinten spricht mich ein Kollege an, wann denn das Bölchenhaus käme. Der Ärmste ist wohl schnurstracks dran vorbeigefahren, so wie ich letztes Jahr am Bonhomme auf dem 400er. Ich empfehle ihm im letzten Ort ein Bild zu machen, oder einen Stempel zu holen. Eventuell wird das ja akzeptiert.

Mir geht es mittlerweile gar nicht mehr gut, mein Magen spielt verrückt und krampft. Ich schleppe mich weiter bis nach Ramiswil, wo die Straße zum Scheltenpass abzweigt. Keine Chance mehr, ich steige ab und überlege. So geht es nicht mehr, mit den Bauchschmerzen ist an weiterfahren nicht zu denken. Schweren Herzens beschließe ich, meine Frau anzurufen. Wenn sie nicht da ist fahr ich halt später irgendwie weiter. Aber der Zufall will es, sie ist da und nachdem ich ihr von meinen Magenkrämpfen erzähle ist auch klar, dass sie mich holen kommt. Nach dem Gespräch zieht es mich umgehend in den nahen Wald, denn irgendwie wollen die Spaghetti wieder raus.

Schon komisch wie man nach so vielen Langstreckenfahrten immer noch solche Anfängerfehler bei der Verpflegungsplanung machen kann. Hätte ich mal früher was gegessen und mich dafür bei den Spaghetti etwas zurückgehalten! Egal, auch wenn ich irgendwie ein schlechtes Gewissen habe, freue ich mich auf die entspannte Heimfahrt.

Später am Abend, schon wieder Zuhause, mischt sich nochmal ein Funken Genugtuung unter das schlechte Gewissen, als draußen plötzlich trommelnder Regen herunter kommt.

Am Ende mit diesem Brevet bin ich aber dennoch nicht, denn das Gewissen lässt mich auch die Tage drauf nicht los, und so beschließe ich diese Strecke noch einmal alleine abzufahren.

Gedacht, getan, am 4. Mai steh ich früh auf und fahre die komplette Strecke diesmal bei bestem Wetter ab. Am Ende, nach 13h50min stehen 306km und 4363 Höhenmeter auf dem Tacho.

Kurz darauf folgt am 10.Mai der 400km Brevet durch die Vogesen. Diesmal klappt alles und nach 16h und 45min laufe ich nachts um 1 Uhr wieder in Freiburg ein.

Den 600km Brevet habe ich mir dann doch geschenkt, das Wetter war so miserabel, dass ich mir das nicht antun wollte.