Ötztaler 2012
Hurra, im dritten Jahr habe ich endlich einen Startplatz ergattert! Dieser Rennradmarathon ist so populär, dass man wenig Chancen hat über die Verlosung einen Startplatz zu bekommen. Ich habe dieses Jahr nur deshalb einen erhalten, da ich mich schon die Vorjahre erfolglos angemeldet hatte. Das wird mein erstes Rennrad Rennen, nachdem ich bisher auschließlich Mountaibike Marathons gefahren bin.
Das Rennen geht laut Ausschreibung über 238 km und 5500 Höhenmeter. Start und Ziel in Sölden, dazwischen Kühtai, Brenner, Jaufen und das Timmelsjoch, von dem man viele schreckliche Radgeschichten lesen kann. Nachdem mir mittlerweile diese Streckelänge und Höhenmeter gar nicht mehr so gigantisch erscheinen nach meinen verschiedenen langen Touren, macht mir vielmehr das Wetter Sorgen je näher der Termin rückt.
Dummerweise ist pünktlich zu diesem Wochenende ein Kaltlufteinbruch vorhergesagt. Viel Regen, Wind und eine Schneefallgrenze knapp über 2200m. Hmm, das Timmelsjoch soll über 2500m gehen, da wird es dann sicher ungemütlich. Egal, ist alles nur eine Frage der Kleidung sage ich mir. Dennoch hoffe ich, dass es nicht gar so schlimm kommt.
An sich wollte ich auch noch ein neues Ritzelpaket bestellt haben, denn meine 34/23 sind nicht unbedingt ideal für Steigungen jenseits der 10%. Und laut Streckenprofil gibt’s da schon einige Stellen. Aber das ist bestimmt leicht übertrieben… rede ich mir ein, nachdem es zu spät ist noch rechtzeitig an eine bessere Bergübersetzung zu kommen. Auf jeden Fall montiere ich meine stabilen Mavic R-Sys Alu Laufräder, die bremsen besser und sind weniger empfindlich als meine Xentis Vollcarbonlaufräder.
Am Samstag, den 25.8.2012 am frühen Nachmittag fahre ich dann mit unserem VW Bus los nach Sölden. Zu Beginn ist es noch recht sonnig, doch nach dem Bodensee türmen sich die Wolken und ab und zu geht ein Schauer nieder. Gegen 18:00 erreiche ich Sölden und parke auf einem Parkplatz bei der Giggijochbahn. Richtige Wohnmobilstellplätze gibt es wohl nicht, wie ich mir sagen lasse, aber zumindest ein Toilettenhäuschen ist in der Nähe. Die Startunterlagen bekomme ich in der Halle, ohne Wartezeit, alles bestens organisiert. Etwas erstaunt bin ich, dass der Pastagutschein nur für morgen nach dem Rennen gilt. Der Sinn erschließt sich mir nicht ganz. Erstaunlich groß ist die Auswahl beim Essen, ein warmes Buffet zum Festpreis, mit verschiedenen Pasta und Kartoffelgerichten. Ideal um sich den Magen vollzuschlagen, was ich dann auch tue.
Mittlerweile regnet es anständig und ich bin froh einen Regenschirm dabei zu haben. In der Fahrerbesprechung wird auch nochmal darauf hingewiesen, dass morgen mit Regen und sehr kalten Temperaturen gerechnet werden muss, aber zumindest wahrscheinlich nicht mit Schnee.
Zufrieden ziehe ich mich in meinen Bus zurück und richte meinen kleinen Rucksack für das Rennen. Ich plane mit Beinlingen, und einem Langarmtrikot zu fahren. Dazu Überschuhe und wasserdichte Handschuhe. Die Regenjacke kommt in den Rucksack, nebst kurzen Handschuhen für wärmere Abschnitte. Da fällt mir auf, dass ich meinen Brustgurt für die Herzfrequenz noch gar nicht gesehen habe. Ich suche alles ab, aber offensichtlich habe ich den zuhause liegen gelassen. Sowas dummes, dann weiß ich gar nicht ob ich Gas geben oder eher langsam machen muss auf der Strecke. Die Gefahr ist dann groß, dass ich am Anfang überziehe wenn alle so schnell den Berg hochstürmen. Na ja, sei’s drum, es wird auch ohne gehen. Die Startnummern werden noch angebracht, die Flasche mit Wasser gefüllt und der Handywecker auf 5:30 Uhr gestellt. Start ist um 6:45. Dann krieche ich in meinen Schlafsack und lasse mich vom Regentrommeln auf dem Dach in den Schlaf begleiten.
Ein paarmal wache ich Nachts auf und irgendwann hat auch der Regen aufgehört. Als der Wecker piepst bin ich schnell wach und mache mir zum Frühstück eine Dose Ravioli warm. Aber ganz schaffe ich sie nicht, die Reste werden in der Wiese hinter dem Bus entsorgt. Dann der obligatorische Gang zur Toilette, wieder Erwarten muss ich nicht mal anstehen. Das Thermometer zeigt 9°C, so extrem ist das gar nicht, vor allem wenn es trocken bleibt.
Mit Schreck merke ich, dass es schon nach halb Sieben ist und ich schleunigst zum Start muss. Wie sich zeigt geht es auch noch einige hundert Meter durch den Ort bis ich einen Zugang zur endlosen Schlange der Starter finde. Das Gute ist, ich muss nicht lange warten bis der Startschuss fällt. Es gibt hier keine Startblocks, abgesehen von einem VIP Block (mit Jan Ullrich) starten alle zusammen. Bis sich aber die ersten bei mir bewegen geht noch 5 Minuten. Dann setzt sich das Feld langsam in Bewegung. Schon am Ortsausgang geht es dann aber zur Sache und wir fliegen mit 50-70 km/h das Tal hinunter.
Wohl fühle ich mich nicht auf Tuchfühlung mit so vielen anderen Radlern bei der Geschwindigkeit und feuchter Straße durch die Kurven zu jagen. Eine ungeplante Berührung und schnell löst man einen Sturz aus. Aber es geht alles gut und mit einem Schnitt von 45km/h komme ich in Ötz an, wo der Anstieg zum Kühtai beginnt.
Schnell zeigt sich, dass die Steigungsangaben gar nicht übertrieben waren. Es gibt einige Rampen, die deutlich über 10% liegen und zum Teil auch ein paar hundert Meter lang. So frisch am Morgen drück ich das aber locker hoch. Am Pass angekommen genehmige ich mir eine Tasse Brühe, es ist doch noch ziemlich frisch, auch wenn es nicht regnet.
Schnell fliege ich die Abfahrt hinunter, man kann es richtig laufen lassen. Auch ist das Gedränge nicht mehr ganz so groß, auch wenn immer noch ab und zu von hinten einer vorbeischießt. Bevor es langweilig wird geht es aber schon wieder ins Inntal, wo in der Ebene die Geschwindigkeit gehalten werden will. Hier ist es richtig nass, es muss gerade ein Schauer runtergegangen sein. Kurz darauf fahre ich in den Schauer rein, zum Glück nicht allzulange gießt es wie aus Kübeln.
Durch Innsbruck und danach hoch zum Brenner geht es in einer Gruppe, die Geschwindigkeit bleibt hoch infolge des Windschattens der sich immer wieder bietet. Oben am Brenner traue ich kaum meinen Augen, ein Gesamtdurchschnitt in Fahrt von knapp 28km/h. Die Hälfte der Strecke liegt hinter mir, das sollte doch locker eine 25er Zeit im Ziel ergeben. Aber ich bin ja auch noch nicht am Timmelsjoch…
Die Abfahrt vom Brenner läuft recht zügig, und bei Sterzing geht es gleich wieder hoch zum Jaufen. Dieser Pass ist sehr angenehm zu fahren, da er eine schön konstante Steigung hat. Man kurbelt sich einfach gleichmäßig die vielen Kurven hoch, und irgendwann ist man oben. Nur die Abfahrt, die ist leider nicht mehr so angenehm, viele enge Serpentinen in denen man extrem bremsen muss, und dazu ein teilweise recht schlechter Straßenbelag, der hochkonzentriertes Fahren notwendig macht. Die Durchschnittsgeschwindigkeit in der Abfahrt liegt bei mir nur bei 48km/h und das bei mehr als 7% Gefälle im Schnitt.
Unten im Tal bei St. Leonhard wird es sogar recht warm, aber es fängt gleichzeitig auch an zu Tröpfeln. Eine riesige dunkle Gewitterfront hängt auf der anderen Seite des Tals. Hoffentlich muss ich da nicht durch! Zwischen mir und dem Ziel liegt nur noch das Timmelsjoch. Die Auffahrt ist lange nicht so gleichmäßig wie beim Jaufen. Steile Rampen wechseln sich mit flacheren Stücken ab. Was aber langsam unangenehm wird ist der böige Nordwind, der aufgekommen ist. Da hilft auch Windschattenfahren nur beschränkt. Jenseits der 2000m Grenze entwickelt sich der Wind zum Sturm und unnötigerweise kommt jetzt auch verstärkt Regen, gemischt mit Graupel auf. Unten im Tal blitzt es ab und zu, und das Donnergrollen ist zu hören.
Ich halte an, um meine Regenjacke anzuziehen, was mir aber erst nach 5 Minuten gelingt. Der Wind bläst mir das Teil so um die Ohren, dass es fast nicht gelingt in die Ärmel zu kommen. Noch drei Kehren und vor mir im Nebel sehe ich ein schwarzes Tunnelloch. Wie ein Windkanal bläst der Wind von vorne hindurch und macht ein Durchkommen fast unmöglich, obwohl es hier fast wieder flach ist. Danach noch ein paar Kurven gegen den Wind und dann geht es Richtung Tal. Leider auf nasser Straße, wieder mit viel engen Kehren. Schnell fahren ist kaum möglich, zudem geht es bald wieder hinauf, ein Gegenanstieg mit ca. 100 Höhenmetern muss noch überwunden werden.
Danach geht es weiter hinunter und je tiefer ich komme, desto weniger problematisch wird der Wind. Schon bald geht es nach Sölden hinein und durchs Ziel. Geschafft! So richtig kaputt bin ich gar nicht, vielleicht hätte ich noch eine Kohle auflegen sollen? Aber ich wollte auch gar nicht das Maximum rausholen, sondern sicher und einigermaßen entspannt ankommen.
Nach einer großen Portion Pastabuffet, diesmal mit Gutschein geht es gut gelaunt wieder nach Hause.
PS: Anscheinend sind die angegebenen 238km etwas übertrieben. Laut meinem GPS sind es genau 227km.
Strecke / Höhenmeter: | 227 km | 5316 hm |
Gesamtzeit / Gesamtdurchschnitt: | 09:33 h | 23.7 km/h |
Reine Fahrzeit / Durchschnitt Fahrt: | 09:13 h | 24.6 km/h |
Gesamtplatzierung / Akplatz: | 911 | 77 |