Madeira

Schon nach der letzten kurzen Radreise nach Italien im Oktober 2019 war mir klar, dass ich dieses Jahr nochmal unterwegs sein möchte. Gerade der November ist nicht unbedingt der reizvollste Monat in Deutschland. Bald habe ich mich auf zwei mögliche Ziele konzentriert. Entweder die Kanaren oder Madeira. Beide können von Basel aus günstig mit easyJet erreicht werden. Auch wenn die Kanaren noch etwas südlicher liegen, fällt meine Entscheidung für Madeira, in der Hoffnung, dass der Tourismus dort nicht gar so extrem ist, wie ich es für die Kanaren vermute.

Vorbereitung braucht es nicht viel, meine Ausrüstung steht. Einzig eine Regenjacke von Outdoor Research und eine günstige Regenhose von Amazon besorge ich mir noch. Am 25. November geht es dann auch schon los. Frühmorgens bringt mich meine Frau zum Bahnhof in Freiburg und ich nehme den Flixbus zum Flughafen.

Montag, 25.11.2019: Funchal – Montadas do Pereiros, 16km – 1400hm

Die Fahrt ist entspannt und auch am Flughafen stellt sich nur kurz Stress ein, als ich am falschen Gate in der Schlange warte und dann beim boarden das Ticket logischerweise nicht funktioniert. Zum Glück! Ich eile zum richtigen Gate und stelle mich wieder hinten in die Schlange. Mein Rucksack geht gut als Handgepäck durch und auch die Kamera in der Hüfttasche wird nicht als zweites Handgepäckstück gewertet.

Der Flug ist ruhig, allerdings ist das Flugzeug voll und Platz bieten die Sitze auch nicht. Aber für 95 Euro hin und zurück ist das vollkommen in Ordnung. Ich döse ein wenig und bevor es langweilig wird, beginnt auch schon der Landeanflug. Der Pilot vermeldet, dass es eine ungewöhnlich sanfte Landung geben wird, da heute ausnahmsweise kein Wind auf Madeira weht, der sonst den Piloten ziemlich zu schaffen macht. Der Flughafen ist sehr speziell, er hat nur eine Landebahn und meist kommt der Wind böig von der Seite.

Mein Plan ist es, erstmal mit dem Flughafenbus für 5 Euro nach Funchal zu fahren und dort im Decathlon, den ich im Internet gefunden habe, eine Gasflasche zu holen. Das erkläre ich nach der Landung auch dem Busfahrer, da ich nicht genau weiß, wo ich am besten aussteigen soll. Er ist sehr hilfsbereit und kennt auch den Decathlon. Er meint, da müsse ich aber weit den Berg hinaufgehen. Ich erwidere, dass ich die nächsten Tage sowieso nur die Berge erwandern werde, so wird mir der erste Hügel sicher keine Probleme bereiten. Später, als wir in Funchal sind erklärt er mir sogar ganz genau welche Straßen ich am besten hinauflaufen soll.

Das mache ich auch, nachdem ich beim ersten Café erstmal einen Café con leche eingeworfen habe. Der heißt hier zwar Meia de leite, aber die spanische Bezeichnung funktioniert hier gut und ich bleibe dabei.

Ich bin schon nach 10 Minuten ziemlich verschwitzt, denn das Wetter ist hier wie erhofft sommerlich warm, in der Sonne richtig heiß. Den Decathlon finde ich schnell, ein richtig großes Geschäft. Dennoch bin ich frustriert, denn es stellt sich heraus, dass es keine Schraubkartuschen gibt, sondern nur die Campinggaz Stechkartuschen, die mir nichts nützen. Aber eine günstige Stirnlampe für 4 Euro nehme ich mit, es soll hier ja viele Tunnel auf den Wegen geben. Mit der Gaskartusche habe ich mich schnell abgefunden, Kuskus kalt hatte ich schon oft auf meinen Touren und warm essen kann ich auch unterwegs in Restaurants.

Nun geht es wieder hinab in das Zentrum von Funchal. Ich möchte klären, wie das mit der Campinggenehmigung funktioniert. Vorher kaufe ich aber noch in einem großen Supermarkt Vorräte ein und esse einen Salat. Wer weiß, wann ich wieder an Vitamine komme… Leider gibt es Couscous nur in der 1 kg Packung, aber was solls, dann schleppe ich das eben. Dazu nehme ich Rosinen und eine Packung Nussmischung mit.

Die Straßen, die ich zum Zentrum entlanglaufe, geben mir einen ersten Eindruck von der Topografie der Insel. Der Hafen mit den Kreuzfahrtschiffen ist schon in Sichtweite, da muss ich komplett auf Meereshöhe absteigen, um einen Bachlauf zu überqueren, danach geht es wieder steil bergauf. Ich ahne schon, dieses auf und ab ist charakteristisch für diese zerfurchte Vulkaninsel.

Im Zentrum habe ich das Tourist Office schnell gefunden. Die Dame nickt sofort wissend, als ich mich nach der Campinggenehmigung erkundige. Sie kreuzt auf der Funchal Touristenkarte die Adresse des IFCN (Instituto das Florestas e Concervacao de Natureza) an. Zur Quinta Vila Passos, ein paar Straßenecken weiter, soll ich gehen. Sie gibt mir auch ein Heftchen mit, in welchem die offiziellen Wanderwege verzeichnet sind. Praktisch, allerdings kann man nur schwer erkennen, wo diese genau verlaufen.

Im Internet habe ich die Lokation des IFCN per Google Street View nicht gefunden, desto gespannter bin ich jetzt, wo es wirklich ist. Bei der richtigen Adresse angekommen, muss ich erstmal eine lange Treppe hochsteigen und durch den großen Garten der Villa gehen. Bis jetzt noch keinerlei Schild… auch an den Gebäuden finde ich zuerst nichts, dann fällt mir ein kleiner handgeschriebener Zettel auf. Man könnte vermuten, dass da etwas von einem Umzug des IFCN steht. Auch eine neue Adresse ist vermerkt mit einer Hausnummer 12F. Aber das kann doch nicht sein, wenn mich das Tourist Office hierher schickt!

Im Garten sehe ich einen Mann der herumschlendert. Ich gehe auf ihn zu und frage nach dem IFCN. Er bestätigt meine Vermutung. Das IFCN sei seit ein paar Monaten umgezogen und er zeigt mit Handzeichen auf eine Kreuzung weiter unten, etwa 300 m entfernt. Dort sei jetzt das ICFN.

Also laufe ich zu dieser Kreuzung und dreh mich dort hilflos im Kreis. Nirgends ein Schild oder Hinweis, dass sich hier ein öffentliches Institut befindet. Zufällig entdecke ich an einem unscheinbaren Büroneubau eine Straßennummer, 12F. Ok, denke ich, war das nicht die neue Nummer? Ich gehe hin und finde eine geschlossene Eingangstür mit einer Reihe von Klingeln, wie bei einem Wohnhaus. Erneut keinerlei Schild oder anderweitiger Hinweis. Kurz bevor ich aufgeben will, kommt ein Mann um die Ecke, der wohl in dieses Haus will. Ich frage ihn nach dem IFCN und er nickt und bestätigt, dass das hier sei. Auf die Frage, warum es nicht angeschrieben ist, meint er nur, sie seien erst vor ein paar Monaten umgezogen und haben halt noch kein Schild aufgehängt.

Drinnen geht es in den ersten Stock und dort hinter einer Glastür (wieder ohne irgendwelche Kennzeichnung) arbeiten wohl ein paar Menschen. Ich bringe mein Anliegen vor und bin wohl endlich an der richtigen Adresse. Nach einiger Diskussion habe ich verstanden, dass es wichtig sei, eine Genehmigung zu haben, egal ob die Daten darin (Campingplatz und Übernachtungsdatum) stimmen oder nicht. So fülle ich ein Formular auf Verdacht aus und trage irgendwelche Campingplätze von einer Liste ein, ohne zu wissen, wo die überhaupt sind. Nur den ersten (Montado do Pereiros) habe ich mir erklären lassen, denn der sollte in der Nähe sein, da will ich heute noch hin. Im Internet gibt es übrigens eine Webseite, auf der diese Plätze zu finden sind: http://www.madeiracamping.com/

Nachdem das Formular ausgefüllt ist, möge ich warten, wird mir bedeutet. Nach etwa 20 Minuten kommt die Dame, mit der ich vorher gesprochen hatte wieder auf mich zu und händigt mir ein offizielles Dokument aus, die ersehnte Genehmigung. Kosten tut der ganze Aufwand gar nichts! Bürokratie pur, aber was soll’s, ich bin happy.

Da es mittlerweile 16 Uhr ist, mache ich mich direkt an den Aufstieg. Immerhin liegen 1200 m Höhenunterschied vor mir. Draußen sehe ich auch, dass die Wolken in den Bergen hinter Funchal mittlerweile deutlich tiefer hängen als noch vor ein paar Stunden. Mal sehen wie das wird.

Das Sträßchen, welches ich hinauflaufe (Rua da Rochinha) ist am Anfang noch gut befahren und ich muss mich oft an den Rand quetschen. Es beginnt gleich mit einer heftigen Steigung und ich muss kräftig schnaufen, da ich doch etwas in Eile bin. An jeder kleinen Biegung hoffe ich, dass es etwas flacher wird, aber im Gegenteil, die Straße wird immer steiler. Die Autos drehen ab und zu durch, wenn sie bei dieser Steigung anfahren. An manchen Stellen ist ein Gehweg vorhanden, der ist dann in Stufen ausgeführt, so steigt man etwas angenehmer.

Langsam wird es dämmrig. Ich komme am botanischen Garten vorbei und nicht weit oberhalb sehe ich schon den Nebel wabern. Mein Weg führt weiterhin direkt nach oben. Bald wird es auch neblig und feucht. Schemenhaft erkenne ich noch das Stadion von Funchal, an dem ich vorbeilaufe. Meine 4 Euro Lampe funktioniert gut und kalt ist es auch nicht, besonders bei diesem Anstieg. Irgendwann geht die Straße in einen Feldweg über, der sich durch Wald weiter den Berg hinaufzieht.

Etwa einen halben Kilometer weiter treffe ich auf die Straße ER 203, die hier weiter in die Berge führt. Hier gibt es auch eine kleine Siedlung und, wie willkommen, eine Bar. Ich genehmige mir ein schnelles Bier und laufe dann weiter die Straße entlang, die hier gemäßigt weiter ansteigt.

Hier läuft es sich gut, und Verkehr ist auch kaum unterwegs. Ich passiere ein großes Restaurant und komme bald zu einer Kreuzung, wo ich weiter geradeaus laufen muss. Hier geht ein Wanderweg los. Ich sehe durch die Bäume schon ein paar Lampen die das Gelände erleuchten, wo der Campingplatz sein muss. Vorher laufe ich durch einen Laubwald und kreuze dann einen trockenen Bach, bevor ich das Gelände erreiche. Hier sind riesige Terrassen angelegt, die ebene Flächen schaffen. So finde ich auch schnell ein Plätzchen für mein Zelt. Scheinbar bin ich der Einzige hier, ich sehe keine Menschenseele. Umso besser.

Schnell ist mein Zelt aufgebaut und mein „Cold Soaking Couscous“ mit Rosinen, Curry und Nüssen zubereitet und verzehrt. Mittlerweile sehe ich sogar die Sterne, der Nebel muss sich also zurückgezogen haben. Erwartungsvoll klettere ich ins Zelt und schlafe auch bald ein.