Madeira
Mittwoch, 4.12.2019: Rabaçal – Ribeira Brava, 33km – 1200hm
Übermorgen geht schon wieder mein Flieger nach Hause. Das heißt, ich muss mich wieder gen Funchal oder Machico orientieren. Natürlich kann ich auch den Bus nehmen, aber wandern ist mir lieber. So werde ich heute sinnvollerweise gen Osten wandern. Da das Wetter laut Vorhersage die nächsten Tage etwas schlechter sein soll, möchte ich entlang der Südküste laufen und nicht über die Berge.
Das bedeutet von meinem Übernachtungsplatz auf etwa 1000 m Höhe hinabzusteigen zur Küste. Nach Studium der Karte möchte ich noch einmal an einer Levada entlangwandern und dazu bietet sich jene an, die ich vor zwei Tagen nach Osten gelaufen bin. Diese kann ich ein Stück nach Westen gehen, bis es mir zuviel wird mit den Windungen.
Mein Zelt ist natürlich super trocken, da ich ein Dach über dem Kopf hatte, da muss ich heute nichts trocken wischen. Auch die restlichen Gepäckstücke sind schnell wieder verstaut und ich mache mich bald an den Abstieg. Schnell merke ich, dass mein Bein überhaupt nicht besser geworden ist, im Gegenteil, es sticht jetzt sehr schmerzhaft bei jedem Schritt bergab. So versuche ich mein Gewicht soweit es geht über die Stöcke abzufedern und mache gleichzeitig sehr kleine Schritte.
Weiter unten an der kleinen Teerstraße erreiche ich einen Forstweg, der gen Osten abzweigt und auch zu dieser Levada führt. Allerdings habe ich von oben gesehen, dass im nächsten Taleinschnitt eine Baustelle ist, ich vermute dort wird an der Wasserzuleitung zu einem Kraftwerk gearbeitet. Da nirgends ein Hinweis auf diese Baustelle zu sehen ist, laufe ich den recht matschigen Forstweg hinein.
Nach einigen hundert Metern sehe ich dann die Baustelle vor mir. Ein paar Rohre liegen herum und Baucontainer sind am Wegrand aufgestellt. Etwas weiter vorne ist der Weg abgesperrt. Ich frage einen Bauarbeiter, wie ich zu tiefer liegenden Levada komme und wir schauen beide über die Böschung nach unten, wo man die Levada schon sieht. Er meint, ja da könne ich langlaufen, ich müsse aber von hier direkt dorthin absteigen. Ok, da hier auch ein kleiner steiler Weg hinunterführt, mache ich das.
Bei der Levada angekommen sehe ich jedoch ein Gatter, was zwar etwas zur Seite geschoben ist, wo aber deutlich steht, dass es keinen Durchgang gibt, und man über die weiter unten verlaufende Straße gehen muss. Diesmal will ich es nicht austesten, vor allem mit meinem schmerzhaften Bein, und so humple ich weiter den steilen Weg hinab, bis auf etwa 300 m Meereshöhe, wo ich auf die ER222 treffe. Dieser folge ich nach Osten.
Das Wetter ist heute besser als erwartet, die Sonne kommt immer wieder zwischen den Wolken hindurch, die vom Wind über die Berge hinter mir geweht werden. Auf der nicht mehr steilen Straße kann ich etwas besser laufen, allerdings schmerzt mein Bein immer noch. Mir ist mittlerweile klar, dass ich heute auf jeden Fall ein Hotel suchen sollte um meinem Bein Erholung zu gönnen. Mein Plan ist, bis Ponta do Sol zu gehen, und dort ein Hotel zu suchen.
Die Straße windet sich in langen Schleifen an den Bergflanken entlang. Sie bleibt nicht auf einer Höhe, sondern führt ständig über erhöhte Bergnasen, bevor sie zum nächsten Taleinschnitt abfällt. Unterwegs verpflege ich mich in einem Café, wo ich auch mein Bein für eine Weile hochlegen und massieren kann.
Auf der Straße ist sehr wenig Verkehr, so lässt sich hier gut Wandern. Es gibt auch viel zu sehen, jede Kurve eröffnet neue Perspektiven auf die Küste und das Meer. Zwischendurch gibt es einen kleinen Regenschauer, aber kurz nachdem ich meine Regenjacke ausgepackt habe ist es auch schon wieder vorbei.
Gegen 15 Uhr erreiche ich Ponta do Sol. Bevor ich dort komplett hinabsteige, suche ich mit meinem Smartphone ein Hotel in der Nähe. Das funktioniert gut, das günstigste Hotel liegt jedoch ein paar Kilometer weiter (laut App etwa 4 km) in Ribeira Brava. In Ordnung, die 4 Kilometer schaffe ich auch humpelnd noch, und so buche ich es gleich.
Nachdem dieses Problem gelöst ist, steige ich ganz hinunter und schaue mir den Ort an. Es ist ein nettes kleines Dorf, eingezwängt zwischen den rechts und links aufragenden Felswänden. Viele Touristen sind hier unterwegs und es gibt einige Cafés an der schmalen Strandpromende. Am interessantesten sind jedoch die Weihnachtsdekorationen, die hier in der sommerlichen Hitze irgendwie fehl am Platz erscheinen. Apropos sommerliche Hitze, wenn ich schon ein Hotel habe, dann kann ich doch vielleicht nachher noch in den Pool hüpfen! Mit dieser Idee mache ich mich schnell wieder auf den Weg, den viel Zeit ist ja nicht mehr, bis der Nachmittag zu Ende geht.
Zuerst geht es wieder hinauf auf den nächsten Bergrücken, wo ich weiter der ER222 folge. Bald komme ich wieder an einen tiefen Taleinschnitt. Im Hintergrund kann ich schon Ribeiera Brava sehen, auch den Hotelkomplex, wo mein Hotel sich laut App befinden sollte.
Im Tal sehe ich einen Weg an der Küste entlang, der auch auf meiner Komoot Karte ausgewiesen ist. Also steige ich über eine lange Treppe, die ich langsam hinab humple ganz nach unten zum Meer. Der Weg an der Küste entlang zweigt hier von einem Kreisverkehr ab. Allerdings kann ich wieder eine Baustelle ausmachen, auch ein Verbotsschild ist hier angebracht. Da ich aber nun mal hier bin, und das Hotel schon in Sichtweite ist, hoffe ich darauf, dass ich irgendwie durchkomme. Nach einem Kilometer kommt mir aber schon ein winkender Bauarbeiter entgegen und macht sehr deutlich, dass ich hier auf keinen Fall durchgehen kann. So ein Mist, das bedeutet einen riesigen Umweg. Aber es hilft alles nichts, ich kehre um, in der Hoffnung, den Straßentunnel, der hier 2,3 Kilometer weit nach Ribeira Brava führt, benutzen zu können. Dieser ist aber auch für Fußgänger gesperrt und so bleibt mir nur der Umweg über den Berg, der sich noch einmal endlos hinzieht.
Dann stehe ich endlich an der letzten Steilwand und blicke hinab nach Ribeira Brava. Aus den vorhergesagten 4 Kilometern sind mittlerweile volle 10 Kilometer geworden!
Der Ort sieht mit seinen Betongebäuden und der Straße nicht sehr einladend aus, und zu spät für den Pool ist es jetzt auch. Dazu kommt, dass von der anderen Talseite extrem laute Musik zu hören ist. Zum Glück wird diese nach einer Weile abgestellt. Ich will nur noch die Beine hochlegen und bin froh, als ich das Hotel gefunden habe und endlich in meinem Zimmer ankomme. Das Hotel hat einen sehr spröden Charme, aber das Zimmer ist sehr geräumig und ich fühle mich wohl hier.
Abends erkunde ich den Ort, der sich am Ende doch als recht nett herausstellt. Es sind viele Einheimische hier, es gibt ein paar alte Gassen und Gebäude und insgesamt macht das Ganze einen etwas funktionellen, aber irgendwie auch authentischen Eindruck. Alles ist weihnachtlich geschmückt und abends erstrahlt der ganze Ort in allen denkbaren LED Farben.
Damit habe ich das Ende meiner Wanderung über Madeira erreicht. Am Schienbein habe ich mir offensichtlich eine Knochenhautreizung eingefangen und auch am folgenden Donnerstag kann ich nicht weiterlaufen.
Ich verlängere das Hotel um einen Tag und nehme am Freitag den kostenlosen Hotelshuttle nach Funchal. An dem Morgen stellt sich auch heraus, dass mein Rückflug, der für Freitag Nachmittag geplant war, ausfällt. Der nächste verfügbare easyJet Flug fliegt erst Montag morgen. Nach einigem hin und her, kann ich über easyJet kostenlos ein Hotel in Santa Cruz buchen, inklusive Vollpension. Nachdem ich eine Weile durch Funchal gehumpelt bin fahre ich dort hin und verbringe das folgende Wochenende hauptsächlich mit Essen und kleineren Ausflügen in den Ort.
Insgesamt hat mir Madeira überaus gut gefallen, ich kann mir gut vorstellen noch einmal hierher zu kommen.