Madeira
Dienstag, 26.11.2019: Montadas do Pereiros – Pico de Arieiro, 19km – 1200hm
Ich schlafe sehr gut, und am Morgen scheint draußen schon die Sonne. Erst jetzt kann ich das Gelände komplett sehen. Es ist wirklich groß. Ich frage mich, zu welchem Zweck es wohl angelegt wurde, denn bestimmt ist es fast immer so leer wie jetzt. Zwischendurch höre ich ein Auto die Zufahrtsstraße heraufkommen. Es hält, und ein paar Waldarbeiter beginnen auf dem Gelände zu arbeiten. Niemand interessiert sich für mich oder meine Campinggenehmigung.
So packe ich gemütlich meine Sachen wieder ein und mache mich auf den Weg. Ich gehe weiter das Tal hinauf, oben sollte eine Straße kommen, die mich zu einem Restaurant führen sollte. Dort will ich dann weiter entscheiden. Der Wald, durch den ich auf einem schönen Weg laufe, ist von Buchen gesäumt die in herbstlichen Farben leuchten. Offensichtlich sind die Jahreszeiten hier also auch zu sehen.
An der Straße angekommen folge ich ihr auf einem parallel verlaufenden Pfad. An den Spuren erkenne ich, dass es sich wohl um einen Mountainbike Weg handelt.
Bald erreiche ich den Poiso Pass mit dem Casa de Abrigo de Poiso. Hier trinke ich auf der sonnigen Terrasse meinen Morgenkaffee und beobachte kleine Reisegruppen, die sich offensichtlich für Flussrafting umziehen. Ich frage mich nur, wo hier ein Fluss sein soll.
Meine Entscheidung steht fest, ich möchte zum Pico de Arieiro laufen, einer der höchsten Gipfel hier auf Madeira mit 1810 m Höhe. Die Zufahrtsstraße beginnt hier gleich um die Ecke. Sanft ansteigend folge ich der Straße, auch ein paar andere Wanderer, offensichtlich Einheimische, sind auf dieser Straße unterwegs.
Hier oben, ich bin schon über 1400 m hoch, wird die Landschaft offener, nur Gebüsch und wenig Bäume sind zu sehen. Ich passiere ein großes Picknick Gelände mit Bänken und Tischen. Wie sich später herausstellen wird, ist das wohl auch eine offizielle Campsite.
Kurz danach kreuzt eine kleine Levada, also ein Wasserkanal, die Straße. Ich entschließe mich diesem zu folgen, da er später wieder auf die Straße stößt. Der Pfad, der eben an dieser Levada entlangführt ist allerdings verdammt eng und so komme ich nur langsam voran. Nach etwa einem Kilometer biege ich dann ab und folge einem Taleinschnitt wieder steil bergauf zur Straße. An dieser Stelle gibt es auch eine Wasserstelle. Ein Betonklotz neben der Straße, an der ein Wasserhahn montiert ist. Ich nutze ihn und fülle meine Flaschen auf.
Ein Stück weiter biege ich diesmal links ab, ein Kiesweg ist ausgeschildert zum Casa do Arieiro. Dort angekommen, finde ich eine Ruine, neben der ein neues, aber geschlossenes kleineres Gebäude steht. Neben der großen Ruine steht noch ein kleiner betonierter Unterstand. Nach näherer Betrachtung stellt sich dieser als übernachtungstauglich heraus. Vorgemerkt!
Direkt neben der Ruine hat man einen spektakulären Blick gen Norden ins Tal, völlig nebelfrei an diesem Tag, bis zum Meer.
Nach einem kleinen Abstieg habe ich die Straße wieder erreicht und folge ihr bis fast zum Gipfel. Kurz vorher zweigt nochmal ein kleiner Wanderweg ab, der die letzte Kehre abkürzt. Immer öfter bleibe ich stehen, um zu fotografieren. Das Panorama wird immer grandioser hier oben, je mehr man von den Gipfeln sieht, die hier eng gedrängt schroff in den Himmel ragen.
Der Aufstieg in der prallen Sonne hat viel Flüssigkeit gekostet, so bestelle ich mir im Gipfelrestaurant erstmal ein Bier und esse ein Sandwich dazu. Mein mitgebrachter Block Emmentaler Käse verleiht mir zusätzlich ein paar hilfreiche Kalorien.
Es ist früher Nachmittag und das Wetter perfekt hier oben. Allerdings ist die gesamte Südhälfte der Insel unter Wolken verborgen. Es macht also keinen Sinn, wieder hinunterzusteigen. Zumal auch kein Lüftchen weht. Man könnte baden, hier oben, so warm ist es.
So beschließe ich, heute hier zu bleiben und die Nacht in dem Unterstand unterhalb des Gipfels zu verbringen. Bis dahin, es ist ja erst früher Nachmittag, will ich den PR 1 laufen, den Verbindungsweg von hier zum höchsten Gipfel, dem Pico do Ruivo.
Schon der Beginn des Weges sieht spektakulär aus, wie er sich auf dem Grat in Richtung dieser unbezwingbar erscheinenden Bergspitzen entfernt. Er ist extrem gut ausgebaut, mit Platten und Treppenstufen und mit einem einfachen Geländer gesichert. Angesichts der tiefen Abgründe auf beiden Seiten ist das aber auch eine willkommene Erleichterung.
Spannend und neu sind für mich auch die Tunnel, die hier in das Vulkangestein getrieben wurden, um einige Bergflanken abzukürzen. Gut, dass ich eine Stirnlampe dabei habe, besonders da der Boden in den Tunnel oft im Wasser steht und man genau schauen muss, wie man den größten Pfützen ausweichen kann, um keine nassen Füße zu bekommen.
Komplett zum Pico Ruivo zu gehen erscheint mir nicht sinnvoll, zumal es am Ende einige hundert Meter wieder hinauf geht. Deshalb beschließe ich vor dem Endanstieg wieder umzukehren. Auch der Rückweg mit der umgekehrten Perspektive ist sehr eindrucksvoll, wenn auch das Licht nicht mehr optimal ist. Von unten zieht der Nebel hoch und die tief stehende Sonne wirft lange Schatten.
Zurück am Pico do Arieiro hole ich mir nochmal ein Bier und genieße dann auf der Terrasse den späten Nachmittag. Mittlerweile sind die meisten Besucher wieder ins Tal gefahren und es wird ruhig. Bevor es dämmert, steige ich ab zu meiner Schutzhütte beim Casa do Arieiro.
Mein Nachtlager ist eingerichtet, eine gute Portion Couscous habe ich auch schon verdrückt und so mache ich noch ein paar Bilder vom Sonnenuntergang bevor ich mich bald in meinem Schlafsack kuschle, denn es wird doch richtig frisch hier oben.
In der Nacht kommt ein leichter Wind auf, und auch der Nebel zieht über den Grat. Ich merke es, da mein Schlafsack etwas klamm wird. Zudem wird es richtig kalt und ich ziehe noch meine lange Unterhose an und decke meine Isolierjacke über mich.