Madeira
Mittwoch, 27.11.2019: Pico de Arieiro – Boca da Risco, 30km – 800hm
Am Morgen wechseln sich Sonne und Nebel ab. Die Kälte der Nacht verschwindet schnell, aber im Nebel herumlaufen möchte ich nicht und so beschließe ich an die Nordküste zu wandern, denn da war gestern kein Nebel. Laut meiner Komoot Karte sollte ich bei der Levada, an der ich gestern kurz entlanggelaufen bin, auch ins Tal nach Ribeiro Frio absteigen können.
Bei Beginn dieses Pfades wundere ich mich, dass so viele Steine und Erde auf dem Weg liegen, bis ich bemerke, dass direkt oberhalb des Weges ein neuer Forstweg angelegt wurde. Dadurch wurde der unterhalb liegende Pfad fast verschüttet. Auf dem Forstweg läuft es sich besser und so nutze ich diesen, bis ich später wieder ins Gebüsch abbiegen muss, um ins Tal zu gelangen. Die Sonne ist nur noch selten zu sehen, meist ziehen Nebelschwaden vorüber. Etwas weiter im Tal finde ich einen schönen ebenen Platz, der sich auch zum Zelten eignen würde. Forstarbeiter haben offensichtlich ein paar abgesägte Baumstämme hingestellt, auf denen man sitzen kann. Hier mache ich erstmal Pause und ziehe meine kurzen Hosen wieder an, da die Temperatur schon wieder deutlich gestiegen ist.
Weiter geht es steil hinab ins Tal und je tiefer ich komme, desto feuchter wird es. Nun fängt es auch an zu nieseln. Ich ziehe nach einiger Zeit meine Regenjacke an, denn im Regen auskühlen möchte ich nicht. Bald wird auch der Boden richtig nass und durch die über mir hängende Nebelsuppe wird es auch wieder dunkler, gerade im Wald, der hier begonnen hat.
Einen Kilometer weiter treffe ich auf die ER103, die von Poiso nach Ribero Frio führt. Kurz vor der Straße gibt es aus unerfindlichen Gründen ein abgesperrtes Gatter mitten über den Weg, und zwar genau auf einer Brücke über einen Bach, der hier das Tal herunterkommt. Umgehen geht also nicht. Ich hangle mich außen an der Brücke entlang, etwa 4 m über dem Bach schwebend, bis ich auf der anderen Seite herunterklettern kann.
Danach laufe ich in mittlerweile normalem dünnen Regen die Straße hinunter, bis ich in Ribero Frio eintreffe. Hier sind auch wieder Menschen unterwegs, zudem gibt es ein Restaurant, was mir sehr gelegen kommt, um mich mit einem Kaffee aufzuwärmen.
Ich beschließe von hier den PR10 zu gehen, an der Levada do Furado entlang, der 11 km nach Portela führt.
Der Weg ist trotz oder gerade wegen des Nebels sehr schön. Flechten hängen von den Bäumen und der Nebelwald macht seinem Namen alle Ehre. Ich komme gut voran, abgesehen davon, dass manchmal Pfützen zu umgehen sind und an einigen Stellen der Weg zwischen Absicherung und Wasserkanal so schmal ist, dass ich auf der Betonmauer balancieren muss.
Am Ende der Levada geht es steil hinab nach Portela. Ich erwarte einen Ort, aber es ist nicht viel mehr als eine Straßenkreuzung zu sehen. Zumindest ein Bier kann ich mir in einer Kneipe an der Ecke genehmigen.
Laut meiner Karte kann ich hier weiter absteigen bis an die Küste. Bei diesem Regenwetter macht das auch Sinn. Ich möchte nach Osten wandern, denn der trockenste Ort auf Madeira ist die Halbinsel Ponta de São Lourenço, die wie ein Wurmfortsatz im Osten an Madeira hängt, und Wüstencharakter hat.
Der Pfad, der nach Porta da Cruz, beziehungsweise Larano hinunterführt ist gepflastert, wie viele alte Wege hier. Was für eine Arbeit! Er wird wohl nicht oft begangen, so zugewachsen wie er ist. Als ich unter die Wolken komme, habe ich zum ersten Mal einen Blick auf die düster vor mir liegende Küste.
Der Weg endet in einer schmalen Wohnstraße, die wie üblich hier, sehr steil und gerade in den Ort hinunterführt. Unten finde ich auch einen Brunnen, an dem ich gleich mal meine Beine und Socken wasche, denn der Matsch auf den Wegen hat mir doch zugesetzt und es hat aufgehört zu regnen.
Ein Ortszentrum gibt es hier nicht, aber ein Schild zum Strand (Prainha) sehe ich. Da ich es nicht eilige habe, beschließe ich, mir diesen mal anzusehen. Vielleicht könnte ich ja baden. Als ich jedoch den letzten Hügel überquert habe sehe ich das raue Meer und den Steinstrand. Beides nicht sehr einladend, vor allem bei diesem Wetter. So kehre ich um und gehe in Richtung Osten wieder den Berg hinauf, denn ab hier geht es immer an den Klippen entlang in etwa 350 m Höhe.
Da es mittlerweile später Nachmittag ist, frage ich mich, wo ich wohl übernachten kann. Na ja, irgendeine flache Stelle werde ich wohl unterwegs finden. So marschiere ich los und nach einigen Schleifen auf einer Teerstraße erreiche ich den Einstieg zu dieser Klippenwanderung. Mittlerweile hat es leider wieder zu regnen begonnen und der Weg ist sehr nass und matschig. Hmm, das macht die Suche nach einem Zeltplatz nicht einfacher…
Der Weg ist wieder spektakulär, auch wenn ich nicht viel sehen kann. Ich ahne den Abgrund links von mir mehr, als ich ihn sehe. Auf jeden Fall geht es die besagten 350m fast senkrecht hinunter ins Meer. Eine Möglichkeit mein Zelt aufzustellen kann ich hier nicht finden. Nicht mal der Weg selbst ist breit genug, davon abgesehen, dass in jeder flachen Stelle eine Pfütze steht. So laufe ich weiter, in der Hoffnung weiter im Osten auf den Grat zu kommen, wo es hoffentlich flacher wird.
Mittlerweile hat die Dämmerung eingesetzt und ich weiß, dass es jetzt sehr schnell geht, bis es dunkel ist. An einer Stelle fällt Wasser von oben direkt auf den Weg, wie ein kleiner Wasserfall. Ich kann nicht ausweichen, die einzige Möglichkeit ist, schnell hindurch zu eilen.
Weiterhin kein flacher Platz, auch wenn langsam das Gelände etwas flacher wird. Aber dann! Ich komme an eine Wegkreuzung, auf einem kleinen Sattel, dem Boca da Risco. Hier schaue ich mich um und entdecke direkt um die Ecke auf der Meer-abgewandten Seite eine kleine betonierte Hütte und davor etwa 2 Quadratmeter flachen Grasboden. Ideal! Ich kann hier mein Zelt aufschlagen und meine Sachen in den Eingang der Hütte und somit ins Trockene stellen. Die Hütte selbst ist mit Unrat gefüllt, nützt mir also nichts.
Da es wieder aufgehört hat zu regnen, kann ich in Ruhe mein Lager aufschlagen und zu Abend essen. Bald ziehe ich mich in mein Zelt zurück und verbringe eine angenehme und diesmal wohltemperierte Nacht.