Madeira
Freitag, 29.11.2019: Ponta de São Lourenço – Faial, 25km – 1500hm
Am Morgen sehe ich, dass Dorota schon ihr Zelt abgebaut hat und ein paar Meter weiter noch frühstückt. Sie möchte zeitig los, da es noch ein paar Kilometer zum Flughafen sind. Wir unterhalten uns noch einmal und sie überreicht mir ihre Gaskartusche, nebst Feuerzeug, Spiralnudeln und einem Glas Pesto. Sie hatte die Gaskartusche aus einem Backpacker Depot am Wegesrand (was es alles gibt!?) und kann sie ja nicht nach Hause mitnehmen.
Erst bin ich zögerlich, da es eine große Kartusche ist, und ich mich schon auf kalte Nahrung eingestellt habe, aber dann überzeugt sie mich und ich nehme die Utensilien an mich. Nachdem Dorota verabschiedet ist, gehe ich nochmal auf den Pico do Furado hoch, um die Morgenstimmung zu genießen. Es bietet sich wieder ein imposantes Panorama, mit fantastischem Licht. Man sieht heute Morgen auch die höchsten Bergzacken des Pico Arieiro und Ruivo. Das bestärkt mich in meinem Entschluss, heute doch weiterzuwandern und das gute Wetter auszunutzen. Ich möchte wieder an der Nordküste entlangwandern und diesmal mehr sehen von dem spektakulären Klippenweg, den ich im Nebel entlang geeilt bin.
Wieder am Zelt, beginne ich zu packen und mache mir mit meiner neuen Gaskartusche einen Kaffee heiß. Steffie und ihr Freund sind auch schon auf und können mir etwas Milch beisteuern.
Bevor ich jedoch losziehe, nutze ich die Gelegenheit und gehe an der Bootsanlegestelle, die sich nur ein paar Meter weiter befindet, baden. Das Wasser ist herrlich und hat genau die richtige erfrischende, aber nicht zu kalte Temperatur.
Diesmal wandere ich nicht zum Parkplatz zurück, sondern biege vorher rechts ins Gelände ab und folge einem Pfad, der auf den Nordgrat der Halbinsel führt. Weiter oben sehe ich einen langen Zaun vor einem Sendemasten und frage mich, ob ich da durchkomme. Hat nicht Dorota davon erzählt, dass sie beim Herlaufen hier auch Schwierigkeiten hatte? Weiter oben sehe ich dann aber, dass der Weg am Zaun entlang um den Sendeturm herumführt und danach auf eine kleine Straße stößt. Auch hier hat man schöne Ausblicke auf die Nordseite der Halbinsel.
Nun laufe ich erstmal wieder die Straße entlang bis Caniçal, wo ich mir nochmal ein paar Würstchen, Käse und Brötchen für ein spätes Frühstück hole. Auch ein Bier gestatte ich mir, es geht schließlich schon auf Mittag zu. Dann geht es in die Höhe, am Friedhof vorbei, immer an der Nordküste entlang. Erst ist der Weg noch ein breiter roter Forstweg, dann biegt ein Pfad in die steiler werdenden Hügel ab. Es wird nun schweißtreibend, immer hoch und nach den Kuppen wieder herunter. Zum Glück weht eine leichte Brise und die Ausblicke motivieren oft zu einem Fotohalt.
Der Weg zieht sich immer weiter hinauf und nach einiger Zeit erreiche ich wohl die Schlüsselstelle, von der auch Dorota erzählt hat. Hier ist etwas Klettern angesagt, über ein paar schräg verlaufende Felsplatten. Danach geht es bald zum Pass Boca do Risco hinunter, wo ich ja vor zwei Tagen übernachtet habe.
Der Weg der nun an den Klippen entlangführt ist im Vergleich zu dem Bergpfad, den ich hinter mir habe sehr angenehm zu gehen. Es ist meist eben und ich kann zügig laufen. Ich möchte noch ein Bild von dem Wasserfall direkt auf den Weg machen, der mir vor zwei Tagen etwas ungelegen kam. Als ich dort ankomme, stelle ich fest, dass heute kaum Wasser herunterkommt. Für ein Foto lohnt es nicht.
Bald habe ich den Abstieg nach Larano erreicht. Hier sehe ich zwei Frauen vor ihrer Hütte sitzen und ich frage gleich, ob ich ein Foto machen darf. Sie bejahen und ich freue mich über ein gelungenes Bild, welches eines meiner Lieblingsbilder der Reise wird.
Wieder am Meer angekommen laufe ich hinüber nach Porta da Cruz, wo ich in einem Strandlokal eine leckere Portion Spaghetti Bolognese verdrücke. Dabei überlege ich, wo ich heute wohl übernachten soll, da der Nachmittag sich langsam zu Ende geht. Ich möchte zum Pico do Piedras, dort gibt es wieder einen offiziellen Zeltplatz. Das schaffe ich natürlich heute nicht, und davor sehe ich auf der Karte nur ein einigermaßen ebenes Gebiet auf dem Gipfel der Klippe hinter Porta da Cruz.
Das ist aber nicht allzu weit, und laut Komoot ist die Höhe der Klippe mit 350 m auch überschaubar, auch wenn sie eigentlich viel höher aussieht. Wie sich aber schnell herausstellt, ist das eine ziemliche Untertreibung. Schon am Ende der Teerstraße, die bei einem Straßentunnel endet, habe ich etwa 300 m Höhe erreicht, und der Klotz von Berg ragt immer noch schier senkrecht vor mir auf. Der Pfad, der hier beginnt, folgt erst einer kleinen Levada, um dann zum Fuß des eigentlichen Berges anzusteigen. Ab hier geht es fast senkrecht nach oben. Im Zickzack, mit jedem Schritte eine Stufe von einem halben Meter überwindend geht es nach oben. Meist muss ich mich zusätzlich mit den Händen festhalten. Und es hört gar nicht mehr auf, nach oben zu gehen. Das Dorf weiter unten ist schon ganz winzig, aber über mir ist immer noch eine Felswand. Ich fange an zu fluchen, denn nur zum Übernachten hier hochzuklettern ist doof, ich muss ja morgen früh alles wieder runtersteigen…
Irgendwann, die Dämmerung hat schon eingesetzt, bin ich dann oben. Der Weg geht jetzt auf dem Kamm entlang, aber keine freie Stelle bietet sich für mein Zelt an. Rechts und links ist tiefer Wald nur ab und zu kann man ins Tal sehen. Dann erreiche ich den höchsten Punkt. Ein Betonklotz auf einem Felsen ist dort, die Stelle ist gut geeignet um nach unten zu schauen, aber nicht um dort ein Zelt aufzustellen. Hinter dem Gipfel führt der Weg wieder steil nach unten.
So beschließe ich im letzten Licht, mein Weg ein paar Meter vorher, im Wald, mitten auf dem Weg aufzustellen. Es passt gerade so dahin, beim Aussteigen muss ich aufpassen, nicht die Böschung hinab zu purzeln. Heute kann ich mir zum ersten Mal mein Couscous warm zubereiten. Danach setze ich mich an den Aussichtsstein und genieße die schöne Abendstimmung, bevor ich in mein Zelt klettere.
Übrigens stellt sich die Höhe des Berges, der sich Penha d’Aguia oder Adlerberg nennt, später als knapp 600 m heraus…