Madeira

Montag, 2.12.2019: Levada das Rabaças – Estreito da Calheta, 32km – 1000hm

In der Nacht höre ich den Regen erneut leicht auf mein Zelt fallen. Den Wind spüre ich nicht, aber in den Baumwipfeln heult es doch ziemlich. An diesem Morgen muss ich zum ersten Mal mein Zelt bei Regen zusammenpacken. Auch das muss man ja mal üben. So hocke ich in meinem kleinen Zelt und packe alles in meinen Rucksack, schließe ihn, ziehe meine Regenjacke an und steige dann aus um zügig das Zelt abzubauen. Ich habe ein Küchentuch dabei um das Zelt vom gröbsten Wasser zu befreien, das hilft hier zwar nicht viel, dennoch praktiziere ich diese Übung. So einen saugfähigen Lappen kann ich nur empfehlen, das war eine super Idee, den mitzunehmen.

Wieder unterwegs bin ich schon auf den langen Tunnel gespannt. Heute hat er den Vorteil, dass ich drinnen nicht nass werde, schön! Der Tunnel ist diesmal auch gefühlt weniger lang. Ich nehme mir die Zeit, allen Pfützen und Steinen und Felsvorsprüngen ruhig auszuweichen. So ist die Durchquerung diesmal deutlich angenehmer als gestern.

Auf der anderen Seite sollte ein Weg die Bergflanke hinauf führen. Ich kann diesen aber nicht finden und beginne innerlich zu fluchen. Muss ich jetzt noch weiter zurück? Ich will schon aufgeben, versuche es dann aber doch mich durch den Bewuchs zu und über ein paar Felsbrocken zu schieben und meine dann doch einen verfallenen schmalen Pfad zu erkennen.

Nachdem die Steine überwunden sind, ist der Pfad etwas besser zu sehen. Er klettert sehr steil die Bergflanke hinauf, manchmal muss ich mich festhalten. Sehen kann ich nicht sehr viel, denn die Wolken hängen um mich herum und beregnen mich von oben. Nach einiger Kletterei erreiche ich eine kleine Levada. Ich muss aber noch weiter hinauf, um auf die Straße zu kommen.

Je höher ich komme, desto stärker wird der Wind. Da es zu Beginn noch recht warm war, bin ich in kurzen Hosen und einem kurzen Trikot unterwegs, ich habe nur meine dünne Regenjacke übergezogen. Bergauf merke ich die fallenden Temperaturen gar nicht so. Als ich aber die Straße erreiche, merke ich, dass ich mir doch bald mehr anziehen sollte.

Mitten im Regen und Wind sich umzuziehen erscheint mir aber keine gute Idee. So schaue ich auf meiner Komoot Karte wie weit ich denn die Straße entlanglaufen muss. Es ist die ER105, die nach Porto Moniz führt. Ok, nach etwas mehr als 4 Kilometern kommt ein Casa do Abrigo, ich vermute da kann ich mich aufwärmen und einen Kaffee trinken. So schreite ich zügig aus und folge der Straße um die Kurven bis sie die Hochebene Paul da Serra erreicht. Kaum komme ich um die letzte Biegung, da trifft mich schon voll der Sturm von schräg vorne. Ich komme kaum noch vorwärts und muss mich mit meinen Stöcken abstützen, damit ich die Richtung halte. Autos kommen so gut wie keine vorbei.

Durch den Sturm kann ich in kürzester Zeit meine Hände und Füße nicht mehr spüren. Ich vermute, dass es hier oben auf 1500 m etwa 6-8 Grad hat. Bei dem Wind fühlt sich das aber wie 0 Grad an, zumal mit kurzen Hosen. Alles eine Frage der Einstellung, denke ich und kämpfe mich langsam gegen den Wind vorwärts. Hier oben hat es eine Reihe Windräder, das hat sicher seinen Grund. Allerdings kann ich im Nebel keines davon ausmachen, ich höre nur das laute Wusch-Wusch irgendwo neben mir im Nebel.

Irgendwann denke ich, warum kommt denn diese Herberge nicht? Ich müsste sie doch langsam erreicht haben. Ein Blick auf mein Smartphone bestätigt das. Ich sollte genau davor stehen. Neben mir sehe ich eine verlassene Ruine stehen und realisiere, dass das alles ist, was von dieser Einrichtung noch übrig ist. Zumindest kann man hinein um sich etwas vor dem Regen und Sturm zu schützen, der allerdings nach wie vor durch die offenen Fenster und Türöffnungen pfeift. Zumindest umziehen im Trockenen ist hier möglich, was ich natürlich auch sofort mache.

Problematisch ist nur, dass meine Finger so taub und kraftlos sind, dass ich kaum meine Rucksackschnallen aufbekomme, geschweige denn die nassen Socken ausgezogen. Nach einem langen Kampf ist es aber geschafft und ich habe alle langen Sachen an, die ich dabei habe. Auch meine Handschuhe habe ich endlich über die Finger gezogen bekommen.

Wieder draußen im Regen und Sturm marschiere ich so schnell es geht vorwärts und mir wird erstaunlicherweise bald wieder warm. Nach weiteren 6 ½ Kilometern erreiche ich ein Hotel mit Kneipe beim Pico da Urze. Hier bekomme ich endlich meinen Kaffee und auch eine Kleinigkeit zum Essen. An der Wand hängt ein Bild, auf dem das Hotelgelände komplett mit einer etwa 30 cm dicken Schneedecke bedeckt ist. Aha, das gibt es hier also auch…

Nach dieser willkommenen Pause setze ich meinen Weg zum Parkplatz von Rabaçal fort. Ich erkenne aber schnell, dass es heute keinen Sinn macht, Rabaçal und die 25 Quellen die es hier zu besichtigen gibt, zu erwandern, denn der Sturm fegt nach wie vor über den Kamm. Zudem sieht man durch den Nebel nichts und es regnet immer noch unaufhörlich.

Auf der Karte sehe ich, dass von hier ein Sträßchen nach Süden zu Küste bei Calheta führt. Ich beschließe, dieses hinunterzugehen um dem schlechten Wetter zu entkommen. Nur etwa 500 m bin ich das Sträßchen hinuntergelaufen, da wird der Wind schon schwächer, die Temperatur steigt an und ich kann zwischen den Nebelschwaden ab und zu hinuntersehen, bis zum Meer. Irgendwo da unten kommt sogar manchmal die Sonne durch die Wolken. Es ist als, ob ich vom Winter in den Sommer komme. Bald ziehe ich mich wieder um und packe die dickeren Klamotten wieder in den Rucksack.

Das Sträßchen führt bald an einer großen offenen Schutzhütte auf etwa 1000 m Meereshöhe vorbei, hier ist offensichtlich ein Zugang zu einer Levada, die durch den Berg nach Rabaçal führt. Auch ein idealer Übernachtungsplatz ist das. Vorgemerkt! Jetzt ist es noch zu früh, ich will auch weiter hinunter um mehr Wärme und vielleicht etwas Sonne zu bekommen.

Das schlechte Wetter kommt jetzt doch etwas weiter nach Süden über den Berg und es regnet wieder. Aber bei hier doch ganz angenehmen Temperaturen. Weiter unten beschließe ich an einer Levada entlang weiter nach Osten zu gehen. Ich möchte morgen Jardim do Mar besuchen, das soll wie ich gehört habe, ein netter Ort sein. Außerdem bin ich das steil bergab Laufen satt und freue mich auf diese ebene Levada.

Der Nachteil ist jedoch, wie ich schnell feststelle, dass die Levada jeden Bergeinschnitt mitmacht und im endlosen Zickzack in den Berg hinein, und dann wieder hinausführt. Ich kann oft schon einen Stein auf die andere Seite werfen, muss aber dennoch jeden Einschnitt komplett umrunden. Nachgemessen lege ich bei einer Entfernung von weniger als 2 Kilometern Luftlinie ganze 7 ½ Kilometer zurück!

Die Levada ist landschaftlich auch gar nicht sehr reizvoll, da sie nur durch Eukalyptuswald führt, der hier bewirtschaftet wird. Deshalb bin ich froh als ich endlich die Stelle erreiche, wo ich nach Estreito da Calheta absteigen kann.

Wo soll ich nun übernachten? Die Dämmerung naht, und ich muss mich bald entscheiden. Ich habe wieder besiedeltes Gebiet erreicht, hier kann ich schlecht mein Zelt zwischen die Häuser stellen, auch wenn es hier und da verlassene Grundstücke und alte Hausruinen gibt. Gerade schaue Ich mich um, da hält neben mir ein Auto mit zwei jungen Madeirern. Ich frage nach einem Hotel, aber sie schauen etwas ratlos, obwohl einer davon wohl genau hier an dieser Stelle wohnt. Zufällig sehe ich, dass wir hier neben einer Hausruine stehen und ich komme auf die Idee den, der direkt daneben wohnt, zu fragen, ob ich wohl darin übernachten könnte. Er überlegt kurz und meint dann, ja klar, wenn ich das will. Ich darf aber nur den vorderen Raum nutzen, der hintere Teil ist einsturzgefährdet.

Ich freue mich, ohne Hotel auszukommen und besichtige mein neues Domizil. Ok, der Raum ist etwas eng, mein Zelt würde vielleicht gerade so hineinpassen. Zudem ist der Boden mit dickem Staub bedeckt. Da mein Zelt noch nass vom Regen ist, würde ich den dann am ganzen Zeltboden haben. Vielleicht keine so gute Idee. Also beschließe ich erstmal den Boden zu säubern. Aber womit? Einen Besen kann ich natürlich nicht finden, aber mit ein paar ausgerissenen Gräsern improvisiere ich einen Feger und schiebe den Staub so weit es geht zur Seite. Zum Glück staubt er nicht in die Luft… Dann beschließe ich ohne Zelt, nur auf meiner Matratze zu nächtigen. Die kann ich einfacher hinterher auf der Unterseite wieder sauber wischen, falls notwendig.

Nachdem das geklärt ist, lasse ich mein Gepäck in diesem Raum und gehe hinunter ins Zentrum des Ortes um etwas zu essen und zu trinken. Ich sehe eine Kirche, da muss es dann ja auch etwas Infrastruktur geben. Offensichtlich leben hier aber nur Einheimische und ich kann erstmal nichts finden. Weiter unten an der kleinen Hauptstraße gibt es dann aber doch eine kleine Kneipe mit angeschlossenem Laden. Hier bekomme ich ein Bier aber erstmal nichts zu essen. Es ist aber kein Problem im Laden etwas Käse, ein paar Würstchen und vier Brötchen zu organisieren, die ich in der Kneipe dann mit meinem Bier verdrücke.

Gut gesättigt mache ich mich auf den Rückweg zu meinem Palast und treffe direkt davor einen Mann, der gerade mit dem Auto ankam. Um nicht negativ aufzufallen, spreche ich ihn an und erkläre, dass ich die Erlaubnis hätte, hier zu übernachten. Er erklärt mir, dass ihn sein Sohn schon informiert hätte und das kein Problem sei. Wenn ich mag, könne ich auch gerne mit ihm etwas in seiner Wohnung trinken. Ich lehne dankend ab, da ich jetzt lieber in meinen Schlafsack kriechen möchte.

Bis auf ein paar kratzende Geräusche im Hintergrund des Raumes, bleibt die Nacht ruhig und ich schlafe gut.