Madeira

Dienstag, 3.12.2019: Estreita da Calheta – Rabaçal , 25km – 1500hm

Am Morgen ist es immer noch leicht nieselig, aber ich kann meine Sachen im Trockenen zusammenpacken und bald hört der Nieselregen auch auf und die Sonne scheint wieder. Beim Abstieg zur Straße macht sich ein leichtes Stechen in meinem linken Schienbein bemerkbar. Ich ignoriere das, vor einiger Zeit hatte ich das auch mal kurz bei einem Abstieg auf einer Teerstraße.

Heute möchte ich erst einmal nach Jardim do Mar. Dort führt aber kein Wanderweg hin, sondern ich muss der Straße folgen. Der Verkehr ist hier so gering, dass man gut auf der Straße laufen kann. Das einzige Hindernis ist ein etwa 500 m langer Straßentunnel durch eine Bergflanke. Als ich näherkomme sehe ich aber, dass der Tunnel nicht für Fußgänger gesperrt ist und auch einen Gehweg besitzt. Nicht einmal mein Licht brauche ich, er ist ausreichend beleuchtet.

Da ich viel Positives von diesem Ort gehört habe, habe ich große Erwartungen. Er liegt direkt am Meer und soll nur zu Fuß erreichbar sein, denn die Gassen sind zu schmal für Autos. Diese müssen auf einem Parkplatz vor dem Ort abgestellt werden. Das klingt gut, und ich erwarte eine touristische Hochburg mit viel Trubel.

Das Gegenteil ist aber der Fall. Das Örtchen entpuppt sich als verschlafenes Nest. Die Autos können bis auf einen recht zentralen Platz fahren und ab dort führen dann kleine Gassen durch den Ort und bis zum Meer. Ich sehe aber nur ein Hotel, andererseits aber viel Wohnbebauung, offensichtlich Ferienhäuser. Touristen sehe ich überhaupt keine, es laufen sowieso sehr wenig Menschen hier herum.

Schön ist die Sicht an der Küste entlang nach Paul do Mar. Dort müsste auch ein Weg führen. Allerdings sieht es von hier so aus, als ob der Weg an der Wasserlinie entlang über große Steine führt und eventuell gar nicht durchgängig bei dieser Brandung begehbar ist. Noch zögere ich und beschließe erst einmal eine Bar zu suchen, um ein spätes Frühstück einzunehmen.

Die erste Bar hat geschlossen, doch bald finde ich eine andere nette Kneipe in einer der Gassen. Mir scheint, der Eigentümer ist Brite, so wie die Bar aufgemacht ist. Auch höre ich manche Gäste englisch sprechen. Ich vermute, dass es hier einige Engländer gibt, die entweder nur den Winter hier verbringen, oder sogar ganz ausgewandert sind.

Bei einem leckeren Café und einem Studium des Wetterberichts beschließe ich, nicht nach Pau do Mar weiterzugehen, sondern wieder in die Höhe nach Rabaçal zu wandern. Denn der Wetterbericht sagt nichts Gutes vorher, die nächsten drei Tage sollen regnerisch werden, nur heute soll es trocken bleiben. So ist heute bestimmt der letzte Tag um nochmal die Berge zu erkunden. Wenn ich dort oben bin, kann ich ja nach der Erkundung von Rabaçal in der Schutzhütte übernachten.

So gehe ich die Straße wieder zurück nach Estreito da Calheta. Mein Schienbein macht sich auf den abschüssigen Abschnitten bemerkbar, bergauf spüre ich es nur leicht pochen. Diesmal wandere ich nicht über die Levada wie gestern, sondern folge der Straße bis zum Abzweig der kleinen Straße die nach Rabaçal hinaufführt. Die 1000 Höhenmeter vom Meer hinauf zur bekannten Schutzhütte sind erstaunlich zügig überwunden. Auch das Wetter ist hier oben recht gut, es gibt zwar einige Nebelschwaden, aber es ist trocken und es weht kaum Wind.

Ab der Schutzhütte folge ich einem Forstweg zum Levadatunnel der zur Nordseite und dem PR6 und PR6.1 führt. Mir kommen einige Wandergruppen entgegen, im Tunnel selbst sind dann aber nicht mehr viele Menschen unterwegs und ich muss nur einmal eine Gruppe vorbeilassen. Im Vergleich zu den anderen Levadatunneln die ich kenne, ist dieser recht hoch und hat im Innern auch ein dickes Rohr, welches eine Abgrenzung gegen den Wasserkanal bildet, sodass er sehr einfach und sicher zu begehen ist. Auch ist der Tunnel nur ein paar hundert Meter lang.

Auf der anderen Seite bin ich wieder mitten im Nebelwald, heute aber ohne Nebel. Eine tolle Vegetation, die Bäume hängen tief über den Levadaweg. Ich staune und fotografiere und wandere langsam an der Levada entlang. Zeit habe ich genug, ich weiß ja schon wo ich übernachte und brauche dann nur rechtzeitig wieder durch den Tunnel auf die andere Seite zu gehen.

Der Weg führt mich in einen Taleinschnitt mit einem schönen Wasserfall. Danach wird er aber immer enger und zwischen Wassergraben und Schutzpfosten ist kaum Platz. So balanciere ich manchmal auf der schmalen Betonmauer des Kanals entlang. Richtig bequem ist das aber nicht und nach einiger Zeit überlege ich, wie ich weitergehen möchte. Auf der Komoot Karte sehe ich eine Möglichkeit abzusteigen und durch das Tal auf der anderen Seite wieder hochzuklettern. Dann komme ich ziemlich am Anfang dieses Weges wieder heraus. So mache ich es dann auch, allerdings fluche ich ein wenig beim Abstieg, weil der Pfad sehr zugewachsen ist und viele Dornenranken herunterhängen. Diese können meine Regenjacke, die ich gegen den Wind trage, leicht aufreißen.

Das passiert jedoch nicht und der Aufstieg ist dann auch etwas besser zu gehen. Bevor ich mich zu meinem Schlafplatz aufmache, möchte ich noch das Casa da Rabaçal ansehen, das etwas oberhalb von diesem Levadaweg liegt. Ich steige einige Stufen hinauf und finde dort oben eine kleine Berghütte mit Toiletten, die sehr gemütlich eingerichtet ist. Es gibt Kaffee und Kuchen, aber auch anderes zu Essen. Ich gönne mir eine leckere Zitronentorte und ein Bier. Mein Abendessen werde ich später am Übernachtungsplatz kochen.

Da mein Schienbein doch immer mehr wehtut ziehe ich meinen linken Schuh aus und stelle fest das meine Knöchel ziemlich angeschwollen ist. Da scheint sich etwas entzündet zu haben. Ich massiere diesen Bereich, um die aufgestaute Flüssigkeit wieder zu verteilen.

Draußen dämmert es, und so mache ich mich wieder auf den Weg, zurück zu meiner Schutzhütte. Auf dem Rückweg begegnet mir niemand mehr, die ganzen Reisegruppen sind fort. An der Schutzhütte baue ich mein Zelt im Inneren auf und koche mir dann ein sättigendes Spaghetti-Gericht. Leider spüre ich jetzt mein Schienbein bei jedem Schritt, und ich humple nur noch herum.

Die Nacht wird wie erwartet sehr angenehm, draußen regnet es zwar zwischendurch mal kräftig, auch den Wind höre ich, aber im Innern der Hütte und in meinem Zelt bin ich gut geschützt.